Leben mit Schwestern

Reiseaufzeichnungen über einen Aufenthalt in einem Nonnenkloster in Ruanda von 2013

Ruanda – Ankunft in Kigali und die ersten Tage

Alles lief problemlos – der Flug mit Turkish Airlines, der nächtliche Anflug auf Kigali, die Passkontrolle einschließlich das Checken meiner Fingerabdrücke, die Koffer sind schon auf dem Band,  der Fahrer von Marion wartet schon, und zehn Minuten später sind  wir auf dem Hof vor ihrer 200 m² Wohnung. Das lokale Bier schmeckt auch noch um drei Uhr nachts, das Bett ist vorbereitet, ein eigenes Badezimmer gibt Sicherheit, und ich schlafe am nächsten Morgen tatsächlich bis 10 Uhr. Nach dem Frühstück mit Leberwurst vom deutschen Schlachter in Kigali (so gut, dass man sie nach Deutschland exportieren könnte) und Rührei mit importierten Modena-Schinken machen wir uns Marions Nissan Geländewagen auf den Weg. Es ist der „Tag der Helden“, ein Feiertag zur Erinnerung an die Beendigung des Genozids 1994 (man erinnert sich an Hutu und Tutsi),  das Geldtauschen klappt, allerdings wohl zum Feiertagskurs, wie sich später rausstellt. Marion zeigt mir ihren Arbeitsplatz, eine Villa, in der ihre 30 Mitarbeiter ausreichend Büro- und Freizeitfläche haben, ihren Fuhrpark von 17 GIZ-Fahrzeugen, dann fahren wir an der deutschen Botschaft vorbei  zum Tophotel Kigalis, dem “Mille Colline“, am Pool finden einige Geschäftsessen der internationalen „Hilfs“-organisationen statt, im Pool baden einige Kinder und Touristen. Wir trinken einen „Tree-Tomato-Juice“, machen uns dann auf den Weg in ein indisches Gartenrestaurant, das seinem offensichtlich guten Ruf durchaus gerecht wird, an den Tischen sitzen auch überwiegend indische Gäste.

Nach einem kurzen Mittagsschlaf nimmt mich Marion auf eine kleine Wanderung um einen See, an dem ein Golfplatz liegt, der offensichtlich vor allem von Einheimischen besucht wird.

Dann fahren wir noch in ihre Pflanzenhandlung, es gibt dort die schönsten Gewächse und man erklärt uns, wo und wie man sie stellen oder einpflanzen soll.

Den Abend lassen wir in einem Restaurant ausklingen, das auch von „käuflichen Damen“, die sich um die Bar placieren, besucht werden soll. Die gute Pizza wiegt die schwachen Spaghetti auf, der südafrikanische Merlot vom Drostehof ist auch sein Geld wert.

Ich schlafe auch die zweite Nacht gut, trotz vieler Träume.

Nach dem Frühstück fahren wir in Richtung Nordwesten, quälen uns eine Schotterstraße hoch, die noch von Sturzbächen der vergangenen Regenzeit völlig zerfurcht ist. Wir kaufen von Kindern Avocados, Mango, Zitronen, Bananen und zwei Pilze, die die Größe, Farbe und Form von Parasolpilzen haben, und dann liegt der meandernde südlichste Nilzufluss vor uns. Wir lassen das Auto stehen und wandern zwei Stunden, überall sind Menschen auf den Äckern, Kinder kommen aus der Schule, alle gehen, meist kilometerweit, nur wenige besitzen ein Motorrad oder Fahrrad. Und unter uns der Nil, der so viele Jahre mein Begleiter war….. Auf dem Rückweg kaufen wir uns Sambusa, Teigtaschen mit Fleisch, die besten, die es in Kigali gibt….wir essen sie auf Marions Terrasse, trinken dazu jeder zwei Bier und fallen dann in den Mittagsschlaf. Nach zwei Stunden weckt mich Marion, wir wollen zum Markt, fahren ca. 20 Minuten entfernt. Ich habe viele Märkte und Bazare auf dieser Welt gesehen, aber diese Vielfalt ist einmalig, an Gemüse, Obst, selbst Äpfel und Birnen aus Tansania und Südafrika, Fleisch, Stoffen und Schneidereien – Hunderte von Pfaff- und Singernähmaschinen stehen in einer Reihe, die Schneider nähen alte Kleider um, stellen neue aus den vielen Stoffen her, es gibt Jeansmanufakturen, alle in einer Reihe, am Ende werden die Jeans in Kisten verpackt.

Aber was diesen Markt unterscheidet: es ist still, keiner schreit, trotz aller Fülle und Enge gibt es keine Drängelei, draußen warten die Motorradtaxis, die sich anbieten, die Einkäufe nach Hause zu bringen. Plötzlich setzt ein starker Tropenregen ein, aber auch das verursacht kein Chaos, obwohl sich auf einmal noch mehr Menschen im überdachten Bereich des Marktes befinden. Als der Regen nachlässt, fahren wir wieder zu Marion nach Hause, trinken noch einen Pastis, bevor wir zur Essensverabredung in ein japanisches Restaurant fahren.

Dort gibt es Frontcooking auf einer Grilllplatte, hat aber leider nicht den Standard, den ich für diese Art Restaurants aus Kalifornien oder sogar Ägypten kenne. Aber es ist eine nette Unterhaltung mit GIZ-Mitarbeitern, die meist alle schon ganz viel Afrikaerfahrung haben.

Bei einem Williams-Christ sitzen wir noch bis Mitternacht auf Marions Terrasse, und ich reflektiere die ersten zwei Tage und lasse mir noch viel von Afrika erzählen…

Wir essen zum Frühstück am Sonntagmorgen einen der Parabolpilze mit Zwiebel und Ei, wunderbar festes, wohlschmeckendes  Fleisch. Gegen zehn kommt Pater Zdzislaw mit 3 Schwestern, um mich abzuholen. Sie trinken einen Kaffee mit uns, dann packen wir mein Gepäck ein und wir fahren mit dem Klosterford, einem neuen, schweren Geländewagen, los.

Ich sitze vorne, wir schrauben uns langsam in die Berge des Nordens hoch, die Straßen sind voll von Menschen – sie kommen fast alle aus den Kirchen von der Sonntagspredigt, im Festtagsstaat und mit den neuen englischen Gesangsbüchern in der Hand, wie mir der Père sagt. Wir kaufen auf einem ländlichen Markt weit außerhalb Kigalis ein, säckeweise Gemüse, vor allem Kartoffel und Süßkartoffel, aber auch Mango, Ananas und Avocado. Irgendwann erzählt mir der Pater, dass wir eine Abkürzung nehmen, er würde 40 km sparen. Wir schrauben uns eine rote Schotterpiste hoch, entlang vieler terrrassenförmiger Felder, auf denen trotz des Sonntags Menschen arbeiten. Plötzlich liegt vor uns ein großer See, der Lake Ruhondo, Inseln lockern ihn auf, und der anderen Seite tauchen über 4000 m hohe Vulkane aus dem Dunst auf, der Blick, der mir von Bildern aus dem Internet vertraut ist. „Hier fängt unsere Community an“, sagt mir der Père stolz, und wenige Minuten später halten wir vor dem „Foyer de Charité“, meinen Lebensmittelpunkt für die nächsten drei Monate. Draußen stehen die Schwestern, um mich zu begrüßen, wir laden aus und ich mache mich vertraut mit den Häusern.

Man bringt mich zu einem Bungalow mit freiem See- und Bergblick, das wird meine Behausung für die nächsten Monate sein.

Dann gibt es Mittagessen, Suppe, ein Büfett mit Kartoffel, Reis, Gemüse und Fleisch, dazu gibt es Amstel-Bier, „weil Sonntag ist“, sagt der Père, und die Schwestern trinken gerne mit.

Am Nachmittag ist der verschobene Gottesdienst, die Predigt wird heute in Französisch gehalten, besonders der engelgleiche Gesang der Schwestern beeindruckt mich. An der Eucharistie darf ich als Protestant natürlich nicht teilnehmen, ich bleibe also im Hintergrund.

Ich richte meinen Klassenraum ein, und nach dem Abendessen treffen wir uns mit den Schwestern dort. Der Pater und ich hatten inzwischen die Gruppeneinteilung vorgenommen, auch der Stundenplan für die nächsten Wochen war bereits festgelegt. Ich stelle mich vor, aber nur kurz, und gegen neun liege ich in meinem Bett, binde das Moskitonetz herunter und schlafe bald ein.

5.2.2013

Klosterleben

Klosterkirche mit Blick auf Muhabura, mit 4127 m der dritthöchste der Virunga-Vulkane

Ich bin heute den 5. Tag im „Kloster“, dem Foyer de Charité Remera Ruhondo. Und ich bin nicht enttäuscht. Ich unterrichte seit Montag 6 Stunden pro Tag in zwei Gruppen die Schwestern – und es ist eine besondere Aufgabe, für die ich sehr dankbar bin. Die Anfängergruppe besteht aus 4 Schwestern, zwischen 45 und 56 Jahren, naturgemäß fällt ihnen da  Lernen schwerer, denn sie sind mit ihrer Muttersprache Kinyaruanda und später Französisch groß geworden, und jetzt soll alles auf Englisch sein…es ist viel „“political pressure“ dabei, denn ein Präsidentenerlass von 2009 verlangt, dass Englisch in Ruanda die Amtssprache ist, die katholische Kirche hat sich dem wohl oder übel angeschlossen, und die Predigten sollen jetzt zunehmend auf Englisch gehalten werden. Auch der Père tut sich sehr schwer, das Englische ist ihm nicht so vertraut, auch mit ihm übe ich die Bibeltexte. Seine Muttersprache ist halt Polnisch. Die zweite Gruppe besteht aus 7 Schwestern, sie können schon ganz gut Englisch, sie sind jünger (zwischen 25 und 48), alle sind sehr ehrgeizig und ich habe als Lehrer noch nie so viel Respekt und Dankbarkeit empfangen.

Die Anlage ist 1968 gegründet worden, die bungalowähnlichen Gebäude sind am Hang angeordnet, der Blick ist gegen den See, der 300 m tiefer liegt, gerichtet, und dahinter liegen die 4000-er auf ugandischer und kongolesischer Seite. Morgens um 6 geht die Sonne auf, dann liegt der See im Dunst, nur die Vulkane schauen heraus, aber bald löst sich der Nebel. Die Schwestern haben um halb sechs Messe, da gehe ich nicht hin, ich nehme mir die Zeit für mich mit ein wenig Yoga vor meinem Bungalow. Um 7 gehe ich zum Frühstück, das die immer gutgelaunten Schwestern bereitet haben. Das ist für mich als Fleischfresser spärlich, aber der gute ruandische Kaffee oder ruandische Tee sind schon ein Genuss…

Um 8 beginnt der Unterricht für eine Gruppe (wechselt täglich), bis 9.30 Uhr, dann 30 Min. Pause, dann wieder bis 11.30 Uhr. Um 12 Uhr gibt es Mittag, und das ist ein Genuss, verschiedene frische Gemüse aus dem großen, eigenen Garten (eine der Schwestern ist Agraringenieurin), Fleisch, Hühnchen oder Rind, auch oft Fisch. Alles wird morgens von den Schwestern, die keinen Unterricht haben, zubereitet. Für das Vieh (5 Kühe, davon 2 Kälbchen) sind einige Arbeiter zuständig, auch für das Feuerholz (der moderne Herd in der Küche wird mit Holz beheizt). Alles ist unglaublich sauber. Zu trinken gibt es gefiltertes Wasser, am Sonntag gönnen sich die Schwestern zum Essen ein Bier.

Natürlich wird vor dem Essen gebetet und gesungen – engelsgleich, die Schwestern haben alle Unterricht, mehrfach im Jahr kommt eine Gesangslehrerin aus Kigali.

Ich lege mich in der Mittagspause zum Schläfchen hin, die Schwestern gehen ihren verschiedenen Aufgaben nach……eine als Schulleiterin in der nächsten Stadt (sie ist von meinem Unterricht befreit, sie spricht sehr gut Englisch), sie betreut 2500 Schüler und 55 Lehrer. Aber sie lebt in der Community. Ein Mädchen arbeitet als Verwaltungsleiterin, solch Kloster ist schon wie ein mittelständischer Betrieb. Eine , Marie Chantal, ist Sekretärin, sie kennt sich mit Computern aus, kopiert im Büro meine Arbeitsblätter und will von mir jeden Tag 5 neue Wörter auf Deutsch lernen – im Gegenzug soll sie mir allerdings täglich drei Worte auf Kinyarwanda beibringen, eine Bantusprache, ähnlich dem Kiswahili. der am meisten verbreiteten Sprache im zentralen und östlichen Afrika.

Eine andere, Odile, regelt die Finanzen, und es wird sparsam mit allen Resourcen umgegangen, wegschmeißen gibt es nicht. Eine weitere Schwester ist für die Wäsche verantwortlich.

Mein Tag geht um 14 Uhr weiter, die andere Gruppe, bis 17 mit halbstündiger Pause.

Um 17.45 ist heilige Messe, schon um zu hören, ob meine Mädels ihre Bibeltexte und Psalmen auf Englisch richtig aussprechen, ich hab sie ja mit ihnen geübt. Am täglichen Abendmahl darf ich als Protestant natürlich nicht teilnehmen.

Dann freue ich mich aufs Abendbrot, wieder ganz viel Frisches, warm, frisches Obst als Nachtisch, Mango, Avocado, Ananas, kleine, süß schmeckende Bananen, andere exotische Früchte. Heute gab es zum Abendessen die beste Quiche meines Lebens, als ich es Aurea, der verantwortlichen Köchin, sagte, schien sie unter ihrer tiefschwarzen Haut zu erröten. Aurea ist ungefähr 180 cm groß, schon über 50, aber der fröhlichste Mensch, der mir begegnet ist.

Am Abend beteiligt sich die ganze Community beim Abwasch, mit unglaublicher Akribie und mit wahrem System. Mein Job ist es, das zweimal abgespülte Geschirr aus dem heißen, klaren Wasser zu nehmen und in einen Korb zu legen, danach wird es mit täglich frischen Handtüchern abgetrocknet. Ich gehe dann in meinen Bungalow, ca. 200 m unterhalb des Community Centers. Hab seit zwei Tagen Internet, zwar ganz langsam, aber für e-mails im HTML-Format reicht es, Fotos sind schwierig. Außerdem hat mir der Père eine Kiste Amstel-Bier in meinen Bungalow stellen lassen.

 

8.2.2013

Heute habe ich mit meinem Kurs einen Rundgang durch die Community gemacht, verwunschene Stellen gefunden, die Schwestern haben mir ihre Räumlichkeiten (jede hat ein Einzelzimmer) gezeigt, alle Früchte und Gemüse im paradiesischen Garten erklärt, wir waren in den Werkstätten (sämtliche Möbel werden hier selbst hergestellt, ein Generator sorgt für Stromversorgung, Schlosserei, Lager, Klempnerei, alles ist da, viele moderne Maschinen, saubere Viehställe, ganz gepflegte Gästezimmer, und überall dieser traumhafte Blick….

 

Ja, so ist hier mein Leben, trotzdem freue ich mich aufs Wochenende,

dann hab ich keinen Unterricht (ich muss mich ja auch immer noch ein bisschen vorbereiten).

 

9.2.2013

 

Der Samstag heute war der erste freie Tag. Hab bis um halb neun geschlafen, selbst die Nonnen haben ohne Unterricht so spät gefrühstückt.. Heute war „full“ house, ein katholischer Workshop mit jungen Leuten aus Kigali, bei denen der Père stark eingespannt ist, und eine Menge Übernachtungsgäste mit Landrover, aus Kanada 2 Paare mit Fahrer, und aus England zwei Paare mit kleinen Kindern. Scheint mir schon sehr anstrengend, solche Tour mit Kindern im Windelalter zu machen! Aber vielleicht arbeiten sie in Kigali (sie haben ein normales Auto) und sind hier nur zum Wochenende.

Bin heute Morgen durch die Dörfer gewandert, alles sehr arm, aber alles sehr sauber, und der Boden ist extrem fruchtbar. Muss hier immer wieder mein Französisch einsetzen, muss wohl auch der Höflichkeit wegen einige Floskeln auf Kinyarwanda (Landessprache, darf aber in der Schule nicht gesprochen werden) lernen, der Père kann es fließend.

Am Nachmittag hab ich geschlafen, man weiß immer nicht genau, wann der Regen beginnt. Innerhalb von Sekunden kommen Sturzbäche vom Himmel, genauso schnell hört es wieder auf.

Hab heute frische Blumen von den Schwestern bekommen, ich glaube es sind Orchideen, letzte Woche hatte ich Rosen.

Abends gehe ich immer mit in die Küche zum Abwaschen, es ist sehr kommunikativ, und solche Klostercommunity ist ein unglaubliches Team.

Neue Speisen lerne ich zuhauf kennen, besonders die Vielzahl von Gemüse beeindruckt mich und schmeckt mir sehr, mein Favorit sind Kochbananen, die wie Kartoffelmus zubereitet werden.

Und ein Anhänger exotischer Früchte bin ich inzwischen auch, man drängt sie mir immer förmlich auf.

Mit uns sitzt zurzeit ein belgischer pensionierter Kardiologe, beim Essen, der aber seit Jahren eine gewisse Zeit des Jahres in Afrika verbringt. Er hält in einigen Krankenhäusern noch immer Vorträge, ist aber vor allen im Kongo in NGO`s tätig. Seine Kinder sind über die Welt verstreut, Sohn in Neuseeland, Tochter in Südafrika. Er ist Malariaexperte, nimmt immer zur Prophylaxe Malarone. Ich sprühe mein Moskitonetz immer ein, ich hab auch noch nicht viele Mücken im Raum gehabt.

 

10.2.13

 

Heute ist Sonntag. Hier war eine nette Gruppe aus Kigali, meist junge Frauen, fast alle arbeiten in Ministerien und konnten gut Englisch und Französisch. Aber sie sprechen beide Sprachen mit starkem afrikanischen Akzent, so dass ich mich sehr konzentrieren muss. Heute Morgen bin ich schon um 7 zu einer vierstündigen Wanderung gestartet (mein Knie trägt wieder), runter zum See, ca. 250 Höhenmeter tiefer. Hatte eine Schar von 20 Kindern hinter mir – nur fotografieren lassen will sich hier keiner. Zurück durch die Felder war ich allein, natürlich begegneten mir immer Menschen, Frauen holten vom See Wasser in Kanistern (verstehe ich gar nicht warum, weil jeden Nachmittag Sturzbäche herunter kommen), bringen Dung auf die schon satten Felder an den Hängen, und überall junge Männer und Frauen, teilweise im Sonntagsstaat auf dem Weg zur Kirche. Auch die Schwestern sind heute besonders hübsch angezogen, als ich es einer, der Mediatrice 1 (es gibt zwei) sage, sieht man die Freude n ihrem .Gesicht.

Heute gibt es wieder gutes Mittagessen, eine köstliche Suppe mit Tomaten und Bohnen, dann Pommes (selbst gemacht), Bohnen, Spaghetti, Wiener Schnitzel, Tomatensauce, zum Nachtisch Kuchen und Obst. Gerade hat mich eine Schwester ihrer Familie vorgestellt, sie haben sie besucht, auch im feinsten Sonntagsstaat, besonders die! beiden Kinder. Ich sitze unter dem Roof im Sessel, Blick auf den See und den Vulkan, und warte auf den Nachmittagsregen, aber jetzt hat sich die Sonne wieder durchgekämpft. Alles ist so unglaublich gepflegt hier!

 

Jedoch heute Morgen fühlte ich mich alt, auf einer 4-stündigen Hikingtour zum See, runter. Durch die Felder bergab ging es ganz gut, aber hoch zeigte sich wieder mein Übergewicht und meine Kurzatmigkeit, hinzu kam die fast senkrecht stehende Sonne, die Höhe und mein Hemd war wegen Moskitoangst bis zu den Ärmeln und zum Kragen zugeknöpft.

 

Der Pater ist für ein paar Tage außer Haus, schon haben die Schwestern heute Abend Bier auf dem Tisch stehen und laden mich zum Trinken ein. Hab ich natürlich nicht abgelehnt. Ist so ein bisschen wie in der Fernsehserie „Um Himmels Willen“, man betrachtet doch alles mit einem Augenzwinkern.

 

12.2.2013

 

Ich sitze jetzt mit dem Blick auf den See nach meinem Unterricht vor meinem Bungalow. Es weht ein kühles Lüftchen, alles ist hier nach wie vor sehr komfortabel. Ein Klosterleben ist an und für sich erstrebenswert, jede(r) hat seine Aufgaben, es gibt einen geregelten Tagesablauf (der zwar sehr früh beginnt), das Beten und Singen ist eingebunden und wird mit Freude wahrgenommen, es gibt geregelte Mahlzeiten von hoher Qualität, die Schwestern sind nett zu mir und ermöglichen mir so den freudvollsten Unterricht, den ich je gegeben habe. Nach meiner Wäsche wird täglich gefragt, ich kriege sie dann spätestens am nächsten Tag gelegt und gebügelt wieder. Die Aufgaben des Unterrichts kann ich auch gut erfüllen, obwohl ich ja noch nie Englisch unterrichtet habe. Die Schwestern wollen mir auch jeden Tag einige Worte Kinyarwanda beibringen, ich spiele das auch mit, vor allem weil es bei Ausflügen und Spaziergängen hilft. Amakuru heißt zum Beispiel wie gehts, die Antwort ist wie in den meisten Sprachen gelogen, weil sie „Ni meza!“ ((mir gehts gut) heißt. Brot heißt umugati, Wasser amazi und Milch amata, damit kommt man schon ziemlich weit. Die Struktur der Sprache hab ich allerdings noch nicht durchschaut. Mit meinem Französisch geht es aufwärts, auch wenn ich mit den Schwestern weitgehend Englisch rede.

Oft kommen hier Gäste, betuchte Touristen aus Europa, Kanada, Australien, da bietet sich auch immer Kommunikation an.

Seit heute steht Rom im Fokus, den Rücktritt von Benedikt hat keiner erwartet. Man spekuliert auch an diesem Ort natürlich über einen Nachfolger und hofft, dass es diesmal ein Afrikaner wird, Lokalpatriotismus scheint ja immer dabei zu sein, aber ob unsere europäischen Katholiken, die ja auch nicht alle frei von Rassismus sind, das verkraften, weiß ich nicht.

Ich trage gerne ein Khakihemd, das mir meine Schwester vor der Abreise geschenkt hat, denn es ist lang und fest, und Mücken(Malaria)angst hab ich schon ein bisschen, besonders nach langen Gesprächen mit dem pensionierten belgischen Kardiologen, der seit dreißig Jahren immer einige Monate in Afrika verbringt und sich selbst immer mit Prophylaxe versorgt. Ich schlafe jedenfalls unter dem Moskitonetz (haben alle Räume, genauso wie intakte Mückengitter), das ich alle zwei Tage einsprühe.

Gestern Abend und letzte Nacht hatte ich eine selbstverschuldete Gesundheitskrise. Ich wollte vom Ruanda-Kaffee auf Ruanda-Tee umstellen. Der Tee jedoch wird hier folgendermaßen zubereitet: In einer Kanne befindet sich ein Konzentrat, daraus füllt man sich einen Fingerbreit in die Tasse und gießt sie mit heißem Wasser auf..  Da ich das nicht wusste, hab ich gestern vier Becher Konzentrat getrunken. Spürte die Veränderung in meinem Kreislauf, mein Herzrhythmus hatte wieder Störungen, und ich bin erst um drei Uhr nachts eingeschlafen. Ab heute Morgen war dann wieder alles gut, hatte auch in der Mittagspause 2 Stunden geschlafen.

Gestern wurde der Geburtstag des Ordens hier gefeiert. Mit Gesängen zum Sonnenuntergang von der höher gelegenen Kapelle (hier sind zwei, diese ist ein sehr spiritueller Ort), dann die Messe auf Kinyarwanda, gehalten von zwei schwarzen Priestern. Anschließend gab es eine Grillparty mit Amstel- und selbstgebrautem Bananenbier, das gar nicht schlecht schmeckt.

Unser Père ist für vier Tage ausgeflogen, er besucht Brüder im Süden.

Ab Mittwoch will ich einen Teil meines Sprachunterrichts in die Küche verlegen, wir wollen Zutaten und Zubereitung im Klassenraum  (auf Englisch) besprechen, dann am nächsten Tag in der Küche während der Kurszeit zubereiten. Mit der einen Gruppe will ich bayerischen Kartoffelsalat mit Frikadellen, mit der anderen Bauernfrühstück (leider gibt es keinen Schinken) zubereiten. Mal sehen, wie es klappt.

Ansonsten ist es wirklich ein ganz besonderer Ort, von dem ich gar nicht weg will.

Am Freitag kommen Marion und Joachim zu uns rauf. Joachim kenne ich wie Marion auch aus Ägypten, er ist promovierter Geologe und in Uganda für ein Wasserwirtschaftsprojekt verantwortlich, er kommt Freitag von Entebbe nach Kigali geflogen. Er ist ein Eigenbrötler, aber wir verstehen uns aus ägyptischen Zeiten alle sehr gut und respektieren uns. Erst wollte er aus Uganda mit dem Auto über die Berge kommen, aber jetzt hat er wohl doch Manschetten. Jedenfalls freue ich mich über ihren Besuch.

Heute habe ich auf die abendliche Messe verzichtet, meine Mädels haben mir dazu geraten, weil ich so müde wirkte. Ich freue mich jedenfalls schon wieder auf das Abendessen.

Refektorium mit dem Blick auf den Lake Ruhondo

Dritte Woche

17.2.2013

Dies ist ein Gruß aus dem Sonntagsbett. War gestern den ganzen Tag unterwegs. Hatte am Vormittag Besuch von Marion (GIZ Kigali)  und Joachim  (GIZ Kampala, Uganda) bekommen. Sie waren mit dem Auto da, und so haben wir eine tolle Tour gemacht. An reißenden Flüssen, an Wasserfällen, an Fischteichen vorbei, hin zu der Stadt Musanze, eine hässliche Kleinstadt (aber gleichzeitig Provinzhauptstadt) direkt an der Straße.nach Uganda und zum Kongo. Zweimal haben wir außer uns Weiße gesehen, beides Frauen, meine Gefährten vermuteten nach ihrem Aussehen Entwicklungshelferinnen. Dann ging es weiter bis fast zur ugandischen Grenze, wir wollten weiter zur legendären Virunga Lodge, Übernachtungspreise 600 $. Wir schraubten uns auf einer Schotterpiste auf 2500 m Höhe, und da lag die Lodge, auf dem Kamm eines unserem Hausvulkan vorgelagerten Höhenzuges,  Streng bewacht, ein berauschender Blick auf den Berg, auf die beiden auf unterschiedlichen Niveau liegenden Seen, steil abfallende Terrassen, am Hang klebende Bauernhäuser, exklusiv eingerichtete Chalets, und ganz oben ein Hubschrauberlandeplatz (der sogar häufiger benutzt wird, wie uns der Guide verscherte).

Wir tranken in der Dämmerung ein Amstel Bier, mussten aber vor Einbruch der Dunkelheit zurück.

Als wir zurück fuhren, nahmen wir auf  der 16 km langen Schotterpiste zwischen Musanze und dem Foyer de Charité zwei Frauen mit einem ca.  zweijährigen Kind mit – sie wären ohne uns diesen langen, steil bergauf führenden Weg zu Fuß gegangen, um nach Hause zu gelangen.  Für den strengen Geruch, den beide verbreiteten, hatten wir vollstes Verständnis. Wir fühlten uns sehr demütig diesen Menschen gegenüber. Als sie kurz vor dem Foyer ausstiegen, sah Marion auf dem T-Shirt die Aufschrift Aspe-Werl Sportclub, das ist ein Ort im Sauerland, neben dem sie aufgewachsen war! Sie konnte allerdings nicht mehr klären, woher die junge Frau das Shirt hatte.

Wohnräume der Schwestern

19.2.2013

Der Minister war nicht gekommen, hatte nicht mal abgesagt, die Mädels waren schon ein wenig sauer. Hatten die schönsten Zimmer fertig gemacht, alles umsonst. Der Tag vergeht wie im Fluge, Kurzunterricht nur am Vormittag von 8 – 12 Uhr, danach habe ich Zeit zum Lesen. Stelle mir einen Sessel vor den Bungalow, zumindest wenn die Sonne scheint.

 

21.2.2013

Hatte heute einen spannenden Tag. War mit Schwester Donata, die hier als örtliche Schulleiterin fungiert (Grundschule mit 1600 Schülern und Secondary Schule mit 1400 Schülern), in der Schule. Hab mir in verschiedenen Klassen unterricht angeschaut. Lehrer, die
kein Englisch können, aber in Englisch unterrichten müssen, Klassen bis zu 60 Schüler, Grundschullehrer, die ca. 50 Std. pro Woche unterrichten (für umgerechnet 50 € pro Monat; Erdkunde- und Geschichtsunterricht ohne Karten, Klassenräume ohne Fensterscheiben (da schießen in der Regenzeit auf einer Seite die Fluten rein), ein Fotokopierer, der nur für Verwaltungszwecke verwendet werden darf,
und sicher auch eine schlechte Lehrerausbildung. Es juckte mir in den Fingern, alles besser zu wissen, aber Missionare hat es hier schon genug gegeben.

Morgen fahre ich übers WE nach Kigali, mit dem Bus, muss mich mal unter das Volk mischen und deutsche Kontakte pflegen. Aber alles ist hier anders als in Ägypten…und meine Mädels hier, auch wenn sie offiziell besitzlos sind, leben einen weitgehend europäischen Standard, was Kleidung betrifft, ebenso Bildung, die Community lässt einen halt nicht im Stich… ebenso wie mein Klassenraum, groß, sauber, Moskitogitter, Wasseranschluss, halbwegs vernünftige Tafel, Bücher, Karten, völlige Freiheit,
Fotokopieren, Internet im Raum, zwar mit meinem Computer, aber einsetzbar.

24.2.2013

Bin gestern Abend aus Kigali wiedergekommen, drei Tage in der Hauptstadt… Rückkehr in die Moderne, asphaltierte Straßen, Verkehrsregeln, hippe Restaurants, die vor allem von Ausländern aus den „Geberstaaten“ ((manchmal denke ich Angeberstaaten) und der einheimischen „Jeunesse Dorée“ besucht werden, aber auch Kultur.

Am Samstag fahre ich mit Marion zum ehemaligen Präsidentenpalast, dort stürzte 1994 der eben in diesem Palast lebende Präsident im Landeanflug auf Kigali mit seinem Flugzeug in seinen Präsidentenpark, die Wrackteile liegen noch immer herum. Mit ihm starb der
Präsident von Burundi, dem südlichen Nachbarland Ruandas, und mehrere andere Personen, die mit im Flugzeug saßen. Wie es zu diesem Absturz kam, soll bis heute ungeklärt sein, ob die Ehefrau des Präsidenten, die im Salon des Palastes 75 m von der Absturzstelle saß und wenig später nach Frankreich ausreiste (wo sie noch heute lebt), dafür verantwortlich war, wird spekuliert, aber es ist
nicht sicher. Jedenfalls begann einen Tag nach dem Absturz der Genozid.

Samstag Abend kommt es zu einem Unwetter – wolkenbruchartige Gewitter lassen die Straßen zu Sturzbächen werden, Bäume stürzen um, die tiefer gelegenen Stadtteile überfluten, die (vorhandenen) Regensiele können es alles nicht schlucken. Später erfahre ich, dass einige Menschen an diesem Abend ums Leben gekommen sind.

 Am Sonntag Vormittag besuchen wir das Kandt-Museum, benannt nach dem deutschen Arzt und Afrikaforscher Richard Kandt, der von 1895 – 1908 in Ruanda weilte und nicht nur den Kivu-See vermaß, sondern auch viele wichtige politische Vereinbarungen mit dem damaligen König traf.

 Kulinarischer Höhepunkt ist am Samstagabend ein italienisches Restaurant, das vollbesetzt ist, weil es guten Schutz vor dem Restregen nach dem Gewitter gibt, und ebenfalls gibt es eine gute Pizza. Ich lausche den Afrikaabenteuern aus dem Tschad, Burkina Faso, Mali und Niger, die die fünf GIZ/DED Mitarbeiter, die mich mit zum Essen genommen haben, zum Besten geben. Der zweite Höhepunkt sind die Pommes Frites in der „Galette“, einem bunten Einkaufszentrum mit deutscher Schlachterei, das dazugehörige Schweinskotelett dagegen ist hart und zäh.

 Sonntag gegen 15 Uhr fahre ich vom verschlammten Busterminal zurück nach Ruhengeri, zwei Stunden Bergfahrt im voll besetzten Minibus. Große Busse sind auf den steilen Serpentinenstraßen nicht geeignet, sagt man mir. In Ruhengeri wartet der Pater, der mich
freundlicherweise am Terminal abholt.

 Den Schwestern habe ich Ritter-Sport Schokolade mitgebracht, dem Pater Leberwurst und Salami aus der deutschen Schlachterei, beides findet freudige Anerkennung.

Müde schlafe ich an diesem Abend gleich nach dem Community-Abwasch ein.

1. März 2013

Mir geht es in meiner Rundumversorgung nach wie vor gut, hab jetzt im Englischunterricht 14 Tage Pause, weil das Haus voller Gäste sein wird, zweimal 110 Personen für jeweils 5 Tage, Novizen und Novizinnen aus ganz Ruanda. Na ja, ich arbeite halt in der Küche mit, heute hab ich ein Rind und zwei Schweine mit zerlegt und entbeint, als die Küchenhelfer die Knochen mit den Macheten zerschlagen und den Schweinen die Köpfe abgeschlagen haben, wurde mir ganz anders, denn ich habe mich in den letzten Tagen ausführlich mit dem Genozid auseinandergesetzt, und damals – 1994 – sind so in diesem Land 1 Mill. Menschen „geschlachtet“ worden – fast jeder war gleichzeitig Opfer und Täter. Nur meine Schwestern – jedenfalls die, die es damals schon waren – waren in der privilegierten Situation ins Ausland ausgeflogen zu werden, sie waren in Kanada, Frankreich, Belgien oder in Kamerun. Und die jüngeren, die noch Kinder waren, tragen die Spuren des Genozids – Narben von Machetenhieben, die nicht tödlich waren, Gehbehinderungen auf Grund von Verletzungen, keine Eltern, keine Geschwister, alle sind umgekommen nachdem wohl auch sie getötet haben, Jahre in UN-Flüchtlingslagern, in denen sich die Morde (es ging um Hutu und Tutsi, die ersten wollten die zweiten ausrotten) fortsetzten. Und nicht nur Amerika und die UN haben weggeschaut, selbst führende Mitglieder der Kirche haben den Völkermord mit  unterstützt bzw. haben ihre Hände in Unschuld gewaschen, und Gott hat offensichtlich auch weggeschaut, nur Frankreich hat die Mörder mit Waffen und Geld versorgt.

Papst Johannes Paul war noch 1990 hier, küsste den schon damals blutigen Boden und sagte, Ruanda sei nicht nur das Land der „Mille Collines“, sondern auch das Land der „Cent Problems“, aber während des Volkermordes war auch vom Vatikan kaum etwas zu hören.

Erst Clinton sagte 1998 während eines dreistündigen Kurzbesuches, Amerika hätte sich damals 1994 falsch verhalten, und dafür sei auch er als Präsident verantwortlich gewesen – eine bemerkenswerte Einsicht für einen Mächtigen.

Jetzt funktioniert es hier mit einer autoritären Regierung, die die Opposition unterdrückt, aber wahrscheinlich die einzige Möglichkeit in einem Land wie diesen.
„Demokratien“ und Mehrparteiensysteme wie in intakten westlichen Staaten gehen nicht, nicht mal mehr in Italien, wie die Wahl am letzten Sonntag gezeigt hat. Aber der Präsident Kagame wird respektiert und von vielen wohl auch geliebt, weil er erklärt und weil er Pläne hat, und weil er das Land stark gemacht hat, auch militärisch, so stark, dass der reiche, riesige, korrupte Kongo machtlos gegen eine kurzfristige Invasion des Ostkongos durch Ruanda war, das hat nicht nur in seinem eigenem Land Eindruck gemacht, auch bei den
Nachbarn.

Auszug aus einem Brief, geschrieben am 3.3.2013

Mein Schwein in der Fotoserie „Küche“, die ich dir geschickt habe, ist schon gewöhnungsbedürftig, vor allen, weil schon der Kopf und die Pfoten fehlen – speziell in diesem Land, wo man sich auf das Schlachten und Ausrotten von Menschen verstanden hat – eben mit Macheten, die auch hier bei der Zerteilung eingesetzt werden.

Ja, Afrika ist schon ein Land, das sehr archaisch ist.

Am Abend kam eine Schwester aus unserem Orden, die in Ruhengeri (der Hauptstadt der Ostprovinz) studiert und nur jedes zweite Wochenende hier ist – sie berichtete unter Tränen von Ereignissen, die von einer neuen Katastrophe zeugen. In dem Stift, in dem sie während ihres Studiums wohnt, sind in der letzten Wochen über 20 Schwestern aus der Zentralafrikanischen Republik eingetroffen, sie gehören zum selben Orden – dort tobt zwischen verschiedenen Ethnen ein Krieg, dem schon viele Tausend Menschen zum Opfer gefallen sind – völlig unbeobachtet von CNN und Al Dschasira und somit auch nicht für UNO und Amerika interessant, höchstens für Frankreich, das sich in seinem frankophonen Einflussgebiet noch immer gerne mit Waffenlieferungen und Geheimeinsätzen positioniert.

Bei einem Gespräch letzte Woche unter anderem mit afrikanischen Mitarbeitern von sogenannten Hilfsorganisationen aus den ebenfalls sogenannten „Geberstaaten“ -man könnte auch von „Nehmerstaaten“ reden – hat im benachbarten Kongo wieder der Kannibalismus zugenommen, man „serviert“ halt seine Feinde, auch in angeblich katholischen Familien, mit von den Europäern gelernter Esskultur. Aufgehört hatte dieses „Brauchtum“ wohl nie ganz. Einfach nur ein Zeichen, dass 150 Jahre Missionierung genauso wenig erfolgreich sind wie Hilfsprogramme. Allerdings sorgt die römische Kirche dafür, dass „ihre“ Menschen aus Krisengebieten herausgebracht werden, ohne viel öffentlichen Rummel. Auch während des Genozids 1994 in Ruanda haben alle Schwester unseres Hauses, die schon damals zum Orden gehörten, die folgenden Jahre im Ausland verbracht, man hat sie herausholen können, weil die Kirche die finanziellen Mittel hat und bereitgestellt hat. Sie waren dann in Kanada, der Schweiz, Frankreich und Belgien in anderen Communities des Ordens untergebracht.

Trotzdem, das Schwein ist Wirklichkeit, es hat gelebt, gehört zum Leben und hilft zum Überleben. Man ist hier nicht so sentimental mit Tieren, Tierschutzgedanken und Tiere als Begleiter des Menschen spielen keine Rolle. Wir haben zwar zwei Hunde auf dem Gelände, aber die haben keine Namen. keiner hat Verständnis dafür, dass ich diese Hunde begrüße, streichle und mit ihnen rede. Sie erfüllen eine Funktion, schlagen an, wenn Schakale oder hungrige Menschen sich auf das Grundstück schleichen und sich vielleicht an den Hühnern, eventuell an den Kälbern gütlich tun wollen, ansonsten brauchen sie Futter, das auch Menschen ernähren könnte.
Eine Unterrichtseinheit in meinem Englischunterricht über „Tiere als Begleiter des Menschen“ hat bei den ansonsten sehr sensibilisierten Schwestern, was den Inhalt der Einheit betraf, nur ein mildes Lächeln hervorgerufen.

Nach 1994 wurden fast alle Hunde getötet, weil sie die herumliegenden Leichen fraßen, die zu Tausenden überall herumlagen – auch hier in dieser Gegend, die besonders stark betroffen war. In dem unter uns liegenden malerischen Lake Ruhondo soll in dieser Zeit die
Population der Krokodile zugenommen haben – wegen Nahrungsüberangebot durch in den See gekippte Leichen.

Auch das scheint grausame Wirklichkeit, wenn auch hier Vergangenheit zu sein, auch das ist dieses Land und dieser Erdteil, jenseits der „Jenseits von Afrika“ Romantik.

Ja lieber Bruder, ich hoffe, dass diese Erkenntnisse dich nicht erschrecken, aber auch deshalb bin ich hier, um solche Dinge zu erfahren.

5.3.20013

Meine Lehrtätigkeit ist wegen der vielen Gäste zzt. unterbrochen, mein Hauptbetätigungsfeld ist die Küche. Gestern hatte ich ein wenig Probleme mit den Pizze, zwei von den sieben, die ich mit Mediatrice 1 (die Jüngere) vorbereitet habe, sind mir verbrannt. Ich hatte sie in den mit Holz beheizten Ofen geschoben, aber nicht berücksichtigt, dass er an den verschiedenen Einschüben unterschiedliche Hitze entwickelt. Die Mädels waren zum Beten in der Kapelle, ich hatte die Stellung gehalten, aber einfach nicht nachgeschaut und gewechselt. Hatte mich geärgert, irgendwie habe ich dort in der Küche einen Hang zum Perfektionismus. Aber man hat es mir nicht
übelgenommen und den Belag so weit wie möglich abgekratzt. Übrigens hatte ich auch eine Pizza mit vorher bei uns am Klosterberg gesammelten Maronen, sie wachsen zuhauf unter den Pinien.

Heute war ich in Kigali mit dem Père, er suchte wohl erstens das Gespräch mit mir, das ist ja auf der Autofahrt möglich, dann waren wir in einer Metallmanufaktur, die zu einer Don-Bosco-Schule gehört (Don Bosco war ein italienischer Priester, der die Idee für ganzheitliche Erziehung, eben auch mit vielen Werkstätten, die richtig produzieren, hatte, die Schüler wohnen dort auch wie im Internat). Der Vater will sich zwei „Gulaschkanonen“ anfertigen lassen, mit 200 l Kesseln, um große Gruppen besser zu verpflegen. Ist ihm aber wohl zu teuer, beide sollen zusammen 3000 € kosten, ist schon ne Stange Geld. Dann haben wir Matratzen abgeholt, 15 Stück auf dem Allradpickup, morgen müssen wir noch mal 15 abholen.
Die alten will er in der Fabrik recyclen lassen (werden geschreddert und wieder gepresst), der Fabrikbesitzer (ein stattlicher Mann um 55, der dem Vater viel Respekt und Ehre entgegenbrachte – im Gegensatz zu zwei Arbeitern, die respektlos in Kinyarwanda über den Vater sprachen und nicht wussten, dass er ihre Sprache beherrscht) schlug es ihm vor, der Preis würde sich wegen der Inzahlungnahme sogar verringern…

Gegen drei waren wir zurück, Aurea, die die Oberin hier ist, hatte uns eine tolle Platte mit verschiedenen Fleischsorten, Salat und Bratkartoffeln hingestellt, dazu servierte sie ihren Bananenwein – wie ich erst hinterher hörte mit 16 % Alkohol, danach fiel ich trunken vom Wein in den Schlaf. Er schmeckte so wie ein guter Portwein, also sehr schwer. Aurea war sehr stolz, dass sie die Unmengen von Reis, die bei der 105 -Leute Gruppe übrig blieben, heute so unter das Volk bringen konnte, dass sie keine Reste mehr hatte. Heute ist einiges von dem köstlichen Mais zurückgekommen, ich hatte vorgeschlagen, daraus morgen eine Suppe zu pürieren und mit Butter und Sahne zu verfeinern – ich sollte das übernehmen, werde aber ja morgen früh wieder in Kigali sein, um die restlichen Matratzen abzuholen. Weggeworfen wird hier nichts – Reste werden weiterverarbeitet, eingefroren – oder, wenn nichts mehr geht, in den Topf getan, der für die Hunde zusammengekocht wird. Allerdings führen diese wirklich ein Hundeleben in zwei verschiedenen Zwingern, Hunde sind hier aus verschiedenen Gründen total unbeliebt, und ich muss auch aufpassen, dass ich mich nicht unbeliebt mache, wenn ich Kara, einen der beiden, auf dem Weg zu meinem Klassenraum streichle. Den Arbeitern gibt man auch die Reste in Tupperschalen mit, sie haben zu Hause hungrige Mäuler, und ihr Verdienst von ein bis drei Euro pro Tag ist für das Dorf schon sehr hoch. Die hier befindlichen Gäste sind eine illustre Truppe, Mönche in Kutten, Schwestern im Ornat, junge, gutaussehende junge Männer und Frauen, die sich um eine Aufnahme ins Priesterseminar (nur die Männer) oder in einen Orden bewerben. Sie sind fröhlich, stehen jetzt gerade vor meinem Fenster, flirten untereinander, ich höre ihre fröhlichen Stimmen. Sie kommen auch aus Burundi, dem chaotischen Kongo, aus dem Senegal und wohl noch anderen frankophonen afrikanischen Staaten hier zusammen.

Dazwischen sieht man einige wenige Europäer(innen), Typ katholischer Kirchentag, sie kommen aus Polen, Belgien, Frankreich und Italien, leben aber schon lange in Afrika. Die Veranstaltungssprache ist Französisch. Schön ist, wenn sie singen, manchmal ganz spontan, draußen, mit dem Blick auf den Lake Ruhondo, einige schlagen dann auf Trommeln, was mir noch mehr das Gefühl von Afrika gibt. Abends waschen sie dann im Innenhof des Küchenbereiches ab, fröhlich, nicht zu laut, aber auch da mit viel Gesang.

7.3.2013

Mein Knie, das mir Monate vor meiner Abreise Schwierigkeiten gemacht und hohe Arztrechnungen verursacht hat, ist übrigens wieder völlig belastbar, liegt wohl am Wetter, obwohl es hier wirklich nicht warm ist, aber wenn man unten in Kigali ist (und das liegt schließlich auch noch 1400 m hoch) spürt man schon die Tropen. Der Weg nach Kigali ist mir vertraut, die Berge, an denen die Felder kleben, sind unglaublich steil, und man hat auf der ganzen Strecke den Eindruck, das Land läuft… bergauf, bergab, groß, klein, die meisten barfuß, das in der Höhenluft. Gelegentlich begegnet man Radrennfahrern beim Training, mit tollen Rennmaschinen und Helm kämpfen sie sich die Berge hoch und fahren mit bestimmt 70 km/h auf der von den Chinesen gebauten Asphaltstraße herunter……die anderen Radfahrer haben entweder hinten jemanden drauf, manchmal auch zwei, oder sie benutzen ihr Rad als Transportfahrzeug, sperrige Schränke, mit denen sie die Straße versperren, 100 kg Säcke mit Kartoffeln, Ladungen von Zuckerrohr usw. Wenn sie bergauf fahren (was sie oft nicht schaffen bei der Steigung, mit dem Gewicht und ohne Gangschaltung, dann warten sie auf einen LKW, der die Steigung hochschleicht und sie hängen sich dran, gestern sah ich vier Radfahrer mit viel Last, die sich an einen Tanklaster drangehängt hatten. Die Räder, chinesische Bauart, kosten 50 €, wer ein Rad besitzt, ist reich, denn man ist mobil, kann transportieren und wieder schneller und mehr Geld verdienen.

Esel gibt es hier ja komischerweise nicht, obwohl sie hier in den Bergen meiner Ansicht nach besonders geeignet wären, Futter fänden sie an jedem Wegesrand, aber hier passt unbedingt der Ausdruck „Drahtesel“. Auf der gestrigen Fahrt nach Kigali begegneten uns viele UN- und Rotkreuzfahrzeuge, sie schienen auf den Weg in den unruhigen Kongo zu sein, auch diverse große Hubschrauber flogen in die Richtung, in den Nachrichten habe ich nichts gefunden, aber CNN und Al Dschasira sind nicht präsent, dann nimmt die Welt keine Notiz. Aber der Sicherheitsbericht, wohl von BND-Mitarbeitern für die in der Region arbeitenden Deutschen erstellt, verheißt für den Kongo nichts Gutes, überall Konflikte, in den verschiedensten Regionen, jeder gegen jeden, kaum zu verstehen. Der Père meinte, in der Vergangenheit sei es häufig vorgekommen, dass Waffen auf Rotkreuzfahrzeugen transportiert wurden, er könne sich vorstellen, auch hier würde es sich wieder um Waffenlieferungen handeln.

Sechste Woche

11.3.2013

Ich war Wochenende am Lake Kivu in Kibuye. Es ist ein wunderschöner See auf 1400 m Höhe, mehrfach so groß wie der Bodensee, er bildet die Grenze zum Kongo.  Aus ihm kommen fast alle Buntbarscharten in den afrikanischen Seen, wenn er auch nicht die Vielfalt der Arten des Viktoria oder Albert-Sees haben soll. Habe jedenfalls in einer exklusiven Lodge gut Fisch gegessen. Die Fischer fangen mit riesigen Ausleger-Einbäumen, die Netze werden zwischen zwei Boote gespannt… Wir haben eine sechsstündige Bootsfahrt auf dem See gemacht, zu verschiedenen Inseln, einer, auf der sich eine riesige Population fliegender Hunde befindet, über 5000 sollen es sein. Habe vom Boot und vom Hotel aus gebadet, seidenweiches Wasser, türkisfarben, sehr klar. Krokodile soll es dort nicht geben, auch keine Bilharziose Erreger, in allen anderen ruandischen Seen sollen sie die Badenden mit Infizierung bedrohen. Auch die 2 1/2 -stündige Autofahrt war spannend, wir waren auch auf einem kleinen ländlichen Markt, wo ich bunte afrikanische Stoffe gekauft habe.
Auf der Rückfahrt öffnete der Himmel so sehr seine Schleusen, dass wir nicht weiterfahren konnten. Von den Hängen kamen Wasserfälle herunter, viele Steine, sogar Felsen lösten sich an ihnen und fielen auf die Straße. Sonntagabend war es mir dann zu spät, zum Foyer zurückzufahren, bin erst am Montagmorgen um acht von Kigali gefahren. Im Bus saßen das erste Mal Weiße, vier deutsche Jungen, wohl letzter Abi-Jahrgang, zwei machten ein GIZ-Praktikum, zwei besuchten die anderen. Irgendwann stellte eine amerikanische Freundin, die permanent telefonierte und Kinyarwnda konnte, fest, dass sie im falschen Bus saßen. Sie stiegen dann auf halber Strecke nach Ruhengeri aus, der Fahrer hatte einen Bus zurück nach Kigali angehalten, in den sie umstiegen. Für mich mehr Platz in der letzten Reihe! Rechts neben mir saß eine ca. 50-jährige Schwedin, sie ist Trauma-Therapeutin und arbeitet seit 2003 in Afrika, ist nach ihren Erzählungen wohl auch als Journalistin tätig. Sie wollte rüber in den Kongo, also erstmal nach Goma. Sie sagte, sie hätte viel im Kongo gearbeitet und bestätigte, was ich neulich in Kigali von dem KfW-Mitarbeiter gehört hatte, also auch den bestehenden Kannibalismus, permanentes gegenseitiges Ausrotten von Stämmen und die Unfähigkeit oder Unmöglichkeit, dieses Land zu verwalten. Sie kannte auch den Südsudan, selbst Yambio, wird in zwei Wochen auch wieder nach Yuba fahren. Sie zieht es vor, weitgehend mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen, um näher an den Menschen zu sein.

Da sind die meisten Mitarbeiter (natürlich nicht die Praktikanten) der Geber-Staaten ja anders, sie lieben ihre Allrad-Nissans und Toyota-Land Cruiser, und nutzen in der Regel die Ausflüge in exklusive Lodges und Restaurants (einschließlich Uganda oder vor allem
Sansibar, die Insel vor der tansanischen Küste, die der deutsche Kaiser irgendwann in den 90-er Jahren des vorletzten Jahrhunderts den Engländern übertragen hatte, um Helgoland wiederzubekommen). Sansibar ist allerdings Flugdistanz, genauso wie kenianische Badeziele. Auch Rafting auf dem White Nile zwischen dem Viktoria – und Albert See ist ein beliebtes Experten-Wochenendprogramm.

Das Hotel liegt direkt am Ufer, ein ehemals presbyterianisches Gästehaus, jetzt von einem privaten Investor übernommen, leider sind die Zimmer trotz der schönen (An)lage etwas heruntergekommen. Dafür gibt es ein offenes W-Lan Netz, so dass ich endlich mal wieder komplett Spiegel-Online lesen konnte, sogar die Geschwindigkeit stimmte.

Na, ich bin jedenfalls heute wieder zurück. Marion hatte mich zum Busbahnhof bringen lassen, über die Fahrt nach Ruhengeri hatte ich ja berichtet. Spannend war noch die Fahrt von Ruhengeri zum Foyer. Der Father konnte mich nicht abholen, weil eine Schwester in Kigali gestorben war, also nahm ich mir ein Motorradtaxi für die 16 km lange Strecke. Hatte natürlich zuerst ein wenig Angst, besonders als es zunächst abwärts ging und der Fahrer auf 100 km/h beschleunigte, aber auf Piste berghoch ging es ganz gut. Jedenfalls hatte ich einen Helm, der ist hier absolute Vorschrift, und TÜV für die Autos und Motorräder gibt es jedes Jahr, anders als Ägypten. War vielleicht auch mal ein deutsches Entwicklungshilfeprojekt. Bin jedenfalls heil angekommen, die Schwestern freuten sich, dass ich wieder da bin, ich auch, und vor allem freute ich mich über das frische Essen.

Jetzt fing es eben wieder an zu regnen, ist halt die Saison.

24.3.2013

Heute ist Palmsonntag, hat in der katholischen Kirche noch einen anderen Stellenwert als bei uns Protestanten. Heute morgen um 7.30 Uhr gab es erst eine feierliche Prozession vom Refektorium (Speisesaal) zur Kapelle, alle hatten ihren Sonntagsstaat an, auch Antje (meine Schwester, die mich für zwei Wochen besuchte) und ich, alle trugen Palmwedel in der Hand, und die Kapelle war geschmückt mit vielen Blumen und Palmen, das alles kann man ja hier im Park oder im Garten finden. Es wurde die gesamte Passionsgeschichte in Form eines Rollenspiels vorgetragen, die Apostel wurden durch die Schwestern dargestellt, Jesus durch den Pater, und Schwester Donata gab den Erzähler. Es war sehr feierlich, und danach ging es dann zum Frühstück. Besonders beliebt ist Antjes mitgebrachte Salami und ihre Leberwurst, der Schinken soll erst zu Ostern angeschnitten werden. Leider begann es dann schon am Morgen zu regnen.

Heute hatte ich mich beim Zubereiten des Mittagessen eingebracht, es sollte Filetspieße geben, aber das Grillgerät hat leider überhaupt nicht den notwendigen Standard, eine der wenigen Dinge, die ich als Hobbykoch hier kritisiert habe. Meine Schwester Antje, seit 3 Nächten hier, hat offensichtlich eine Antenne für diesen spirituellen Ort, sie genießt es, in mehreren Sprachen (Englisch und zunehmend Französisch – gestern sogar in Spanisch) zu parlieren, das Essen schmeckt ihr (meine Empfehlung: nur einmal pro Mahlzeit zum Büfett gehen, ist schwer zu befolgen), und sie findet hier nach eigener Angabe endlich Ruhe.

Mein Englischunterricht könnte sicher mehr Kontinuität gebrauchen, der Vater findet immer wieder Gründe, den Unterricht ausfallen zu lassen, allerdings hat er auch Recht, und die Mädchen haben unendlich viel zu tun, besonders in dieser „Heiligen Woche“. Eine ganze Menge Leute, Priester, Schwestern, aber auch normale Katholiken, kommen hier zum „Spiritual Retreat“ hoch, ab morgen sollen es dreißig sein, und auch zu den Übungen unserer Schwestern gehört, dass sie sich für einige Tage schweigend zurückziehen. Ich nehme das natürlich hin, ohne zu kommentieren, es mag ihnen ja persönlich helfen.

Ein Bild vom Franz I. aus dem letzten „Spiegel“ wurde heute eingerahmt und neben den Benedikt gestellt, ich musste dem Pater einen Teil des kritischen Textes über den Papst übersetzen, aber kritische Anmerkungen versteht er nicht als Gesprächsgrundlage, sondern als persönlichen Angriff. Das ist wohl so in hierarchisch geführten Strukturen! Menschlich schätze ich den Vater ja sehr. Manchmal denke ich allerdings, er ist auch ein wenig eifersüchtig, denn er ist nicht mehr der einzige Hahn auf dem Hühnerhof.

So, es gibt gleich Abendbrot, es ist 18 Uhr, eben ist die Sonne hinter dem Karisimbi (4507 m) versunken, seine Spitze ist heute wieder schneebedeckt.

Gründonnerstag, 28.3.2013

Liebe Freude des Winterostern,

vom Äquator senden euch Antje (ist seit einer Woche mein Osterbesuch) und ich die herzlichsten Grüße zum Osterfest.

Auch hier sind die Temperaturen auf 2000 m nicht unbedingt sommerlich, Antje schätzt schon die abendliche Wärmflasche, durch die hohe Luftfeuchtigkeit und die täglichen Wolkenbrüche kriegt man nichts trocken. Dafür entschädigt uns gutes Essen (bei aller Bescheidenheit, meine Mithilfe und meine Tipps und Ratschläge werden nicht als „missionieren“ empfunden, sondern mittlerweile sehr geschätzt), traumhafte Sonnenunter- und Vollmondaufgänge, Passionsspiele auf Afrikanisch, herzlicher sowie freundlicher Umgang in der Community.

Vorgestern haben wir einen Ausflug zum Kivu-See nach Gisenye an der Grenze zum Kongo gemacht, ein schöner Ort, leider hat es mal wieder ganz viel geregnet, es ist einfach die Jahreszeit, bis Mitte Mai. Antje hat sich leider erkältet.

Heute war in der Gründonnerstagsmesse vor dem Abendmahl das heilige Füßewaschen durch den Pater (wie Jesus es am Tag vor seiner Kreuzigung mit seinen Jüngern gemacht haben soll), ich gehörte als Protestant leider nicht zu den auserwählten 12, an der Eucharistie dürfen wir ja auch nicht teilnehmen, aber dafür bekreuzigen wir uns nicht und bleiben die ganze Zeit aufrecht stehen.

Die Sisters hatten sich heute zur Messe besonders schön gemacht (zum Glück trägt man im Foyer de Charité ja keine Ordenstracht), sie meinten aber, am Ostersonntag würden sie es noch toppen.

Auch die Kirche war heute besonders schön geschmückt, selbst der Vater hatte ein ganz besonderes Ornat aus seinem Uniformschrank geholt, so war alles ganz festlich. Beim Beten und Predigt anhören kann man übrigens ganz gut seine Französischkenntnisse aufmöbeln! Wir sind übrigens nicht alleine, ca. 40 Leute, meist jüngere Frauen, sind zum Osterretreat bei uns im Kloster, allerdings sind es den Autos auf dem Parkplatz nach zu urteilen nicht die Ärmsten der Armen Afrikas, (die stehen barfuß vor dem Tor und hoffen auf eine warme Mahlzeit), sondern Wirtschaftswunder-, Kriegs- oder Krisengewinnler aus Kigali, dem Kongo und Burundi. Aber nach dem Essen waschen die Retreatler immer brav mit ab, und meine „Spaghetti Napolitana“ haben sie heute auch restlos aufgegessen, leider konnten sie nicht loben, weil sie während des Retreats außer beim Essen, Beten und Singen nicht den Mund aufmachen (einige führen im Park hinter den Bäumen allerdings verstohlen Handygespräche).

Heute Nacht halten die Sisters wechselweise in der unterirdischen Sakristei der Hauptkirche Wache, wie es wohl auch seinerzeit die JÜNGER gemacht haben.

Die morgige Karfreitagsmesse findet in der „Bergkapelle“ um 15 Uhr statt, um die Zeit verdunkelt sich wegen Gewitter auch hier immer der Himmel wie seinerzeit auf Golgatha.

Ostern gibt es dann zur Auferstehung Wein, Sekt und Martini (den lieben die Sisters) sowie Bananenbier zum Festessen.

Ein Lamm konnten der polnische Pater und ich bei Schwester Odile (sie ist die Finanzministerin und hat alle Marktpreise im Kopf)   leider nicht durchsetzen, dafür hab ich vom Pater den Auftrag, nächste Woche Gulasch mit Kartoffelknödel zu kochen, alternativ  zu den Knödeln Kochbananen.

Am Abend denke ich daran, dass in Deutschland bald die Tulpen blühen! Habe noch genau 4 Wochen hier in Ruanda!

Ostersonntag und Ostermontag 

Die Osternacht begann um 3 Uhr mit einem Feuer. Es war ein harter Tag! 2.30 Uhr aufstehen, dann haben sich alle um das Osterfeuer versammelt, um das sich nach dem Evangelium die römischen Soldaten geschart hatten, um Jesus Grab zu bewachen. Alle bekamen eine Kerze, um dann in einer Prozession in die Kirche zu ziehen, die sehr, sehr festlich geschmückt war. Der Vater hatte schon wieder die Uniform gewechselt, diesmal in Weiß, wie der neue Papst (Karfreitag trug er noch flammendes Rot). Dann wurde Trommelmusik gemacht, schon draußen am Feuer, bevor in Kurzform die gesamte Geschichte des Christentums von der Genesis bis Ostern in verschiedenen Lesestücken vorgetragen wurde. Unser Pfarrer wechselte sich mit einem Gastpriester, der als Universitätsdekan in Butare arbeitet, ab, dieser hatte eine mächtige Stimme. Als ich bei seiner Predigt trotzdem einschlief, sprach er mich auf Deutsch an ….“auch in dir ist Jesus, weil du getauft worden bist…“ ich erschrak natürlich, aber ich wusste ja, dass er fließend Deutsch spricht, er hatte sechs Jahre als Gemeindepfarrer auf einem Dorf in der Nähe von Stuttgart gearbeitet und in Heidelberg Philosophie studiert. Nach der Morgendämmerung wurde dann die Eucharistie gefeiert, ohne Antje und mich, weil wir ja Protestanten sind und nicht daran glauben, dass die in Wein getauchte Oblate tatsächlich Jesus Körper und Blut sind. Dann ging es nach draußen, es wurde noch kräftig getrommelt und Photos gemacht, die Schwestern und die für eine Woche zum Retreat anwesenden 40 Gäste machten die Abschlussbilder. Zum Frühstück gab es von Antje gespendete Schoko-Ostereier, Schinken und Salami, alles war sehr festlich. Zum Mittag gab es Hähnchen, Gulasch, Spaghetti.

Überraschenderweise kam zu einem Privatbesuch der belgische Botschafter mit seiner Frau, ein sehr sympathischer Mensch, und der Vater hatte vorher noch keinen Kontakt zu ihm. Er ist ein sehr bescheidener Mensch, und er schätzte besonders mein Gulasch (weiß nicht genau, ob da ein Zusammenhang zu seiner Bescheidenheit besteht). Es war ein schöner Morgen, es gab schließlich auch Wein und Bier, was die Stimmung besonders beim Vater löste. Nach dem Essen bin ich in ein anderes Zimmer umgezogen, denn ich habe seit einer Woche ca. 100 Stiche am ganzen Körper, ich vermute einen Floh, den ich eingeschleppt habe. Jedenfalls wird meine ganze Wäsche gewaschen und gebügelt, die Matratzen sollten besprüht werden, nun habe ich einen kleineren Raum. Ist aber leichter sauber zu halten.

Auch wir haben eben gegessen, ein richtiges Ostermontagsmenü. Wir hatten wieder „hohen“ Besuch hier, nach der unangemeldeten privaten Visite des belgischen Botschafters gestern, kam heute morgen um 10 Uhr schon der italienische Apostolische Nuntius, also der Botschafter des Vatikans, zu einem offiziellen Besuch. In seinem Gefolge sein indischer Sekretär, jung, hochgebildet, und 5 Schwestern aus seiner Nuntiatur, die die Arbeit als Sekretärin, als Köchin, Wirtschaftsleiterin, und andere Tätigkeiten übernehmen. Auch die Schwestern kamen alle aus verschiedenen Ländern, alle sprechen mindestens vier Sprachen, der Sekretär wohl noch einige mehr.

Der Pater meinte, ich solle doch wieder Spaghetti mit meiner schon legendären Sauce Napolitana zubereiten, ich fügte mich nicht ungern. Leider war der Nuntius ein Kugelblitz, 160 cm groß, bestimmt 100 kg schwer, und nach Auskunft seiner Schwestern kämpft er zurzeit gegen seine Dickleibigkeit, isst nur einmal die Woche Pasta, sonst fast nur Salat, kein Fleisch, und er läuft 20 km pro Woche. Aber es hilft alles nix, er bleibt dick. Aber er schien sehr zufrieden, Antje parlierte mit dem indischen Sekretär – er hofft, dass er als nächsten Einsatzort Berlin bekommt, er spricht auch sehr gut Deutsch, ansonsten müsse er dem Vatikan gehorchen und würde auch überall hingehen… Er hat Kirchenrecht und Politik studiert, wohl ne gute Voraussetzung für den vatikanischen diplomatischen Dienst.

Gegen zwei Uhr machten sie sich wieder auf den Weg, alle sieben plus ihr ruandischer Chauffeur in einem extra langen Land-Cruiser mit Standarte und CD-Nummernschild.

Im Übrigen merke ich immer mehr, dass der Vatikan bzw. die katholische Kirche mit ihrer Corporate Identity nicht nur ein erstklassiges Business-Model ist (merke ich hier schon im Kloster, so muss man ein Geschäft aufziehen, dann hat man Erfolg), sondern auch erstklassige nachrichtendienstliche Qualitäten hat. Sonst hätte der ganze Laden sich nicht 2000 Jahre halten können.

Der Vater war hochzufrieden, für ihn sind diese Kontakte offensichtlich sehr wichtig (finde ich auch).

3.4.2013

Heute gab es zum Abendessen ein besonderes Schmankerl. Die Mädels wollten tanzen, der Gruppenraum wurde vorbereitet, CD´s und Kassetten herausgeholt, dann wurde geschwoft, alle wollten Antje und mir die Grundschritte afrikanischer Tänze beibringen. Antje war da ganz erfolgreich, ich weniger. Auch der Pater krempelte sich die Ärmel hoch und tanzte mit, oder besser gesagt meist für sich allein. Nach zwei Stunden würde der Getränkewagen reingerollt, es gab Muskateller-Schaumwein, Bier und Softdrinks. Die Sisters gingen zufrieden in ihre Zimmer, ich schaute mir auf dem Zimmer noch irgendeinen blöden amerikanischen Ballerfilm an.

4.4.2013

Der Pater fragte mich, ob ich mit nach Gisenyi wolle, eine Gruppe aus dem Kongo würde am Flughafen Goma ankommen, wir sollten sie an der Grenze abholen. Ich fuhr mit dem Vater hin, den Pick-Up fuhr Aurea. Die 1 ½ stündige Fahrt verbrachte der Vater vor allem mit Telefonieren, denn die Ankunft musste koordiniert werden. Auf halber Strecke zwischen Ruhengeri und Gisenyi passierten wir ein UN-Flüchtlingslager, in deren Zelten die zu Tausenden aus dem Ostkongo kommenden Flüchtlinge untergebracht sind. Erdrückend, das Schicksal der Menschen, wie wohl fast überall auf der Welt, wo Menschen bedroht sind oder vertrieben werden.

In Gisenyi ist es heiß und schwül, die kongolesischen Schwestern – ein afrikanischer Vater und sechs Schwestern, die man an ihrer bunten Reiseuniform erkannte (der Pater ist ganz in schlichtem Weiß gereist, dass ich schon denke, der Papst reise auf seiner ersten Auslandsreise in Spannungsgebiete). Sie haben unendlich viel Gepäck, unter anderem 50 kg „Capitaine“-Fische aus dem Albert-Lake, der nördliche Grenzsee des Kongos zu Uganda, durch den der Weiße Nil fließt. Wir warten, während sie ihre Einreiseformalitäten erledigen. Kurz hinter der Grenze stehen auch LKW´s mit UN-Aufdruck, viele Menschen, die mit Kindern an der Hand oder auf dem Rücken und höchstens einem Bündel die Grenze passiert haben, werden dorthin gelotst. Sie werden, wenn der LKW voll ist, in das genannte Flüchtlingslager gebracht.

Auf dem Rückweg kommen wir in einem fürchterlichen Wolkenbruch. Ganze Hänge werden abgeschwemmt, man kann kaum etwas sehen. Ich fahre bei Aurea im Pick Up mit, hinten die von der Reise müden kongolesischen Schwestern. Am Abend ein Festessen ein Bier und Bananenwein. Man will noch für Antje einen Abschiedsabend arrangieren, sie zieht sich jedoch mit Schwindel und Kopfschmerz zurück, die Schwestern sind traurig.

5.4.2013

 

Habe gestern Abend meine Schwester Antje zum Flughafen gebracht, sie ist jetzt wohl wieder in Hamburg. Hier ist die nächsten Tage die Bude voll, eine dreiwöchige Konferenz aller Foyer de Charités in Afrika. Das bedeutet für Pater und Schwestern viel Arbeit und Organisation, aber kaum Englischunterricht. Trotzdem möchte ich durchhalten, meine Erfahrung zu Ende bringen. Habe jetzt doch ganz schön Heimweh, hab das Bedürfnis, mich auch in D wieder zu erden. Außerdem nervt mich die Regenzeit mit den täglichen Wolkenbrüchen.

Körperlich geht es mir ganz gut, aber ich spüre, dass ich vor allem mit diesem Kirchengedöns nicht klarkomme. Als wir gestern Abend von Kigali vom Flughafen kamen (der Pater fuhr, 3 Schwestern saßen hinten) sagte der Père auf einmal Beten an. Es wurden ca 30 Minuten Mantras runtergerabbelt, mit ständigen Hallelujahs und Segnungen, Fürbitten und allen möglichen Blödsinn, das alles während der Fahrt, 6 Mal hat sich der Pater, während er fuhr,  bekreuzigt, in Kurven, beim LKW-Überholen auf gefährlicher Straße. Vor Fahrtantritt (oder meistens schon, wenn er losgefahren ist), betet er immer zur Mutter Maria, dass sie dafür sorge, dass er heil ans Ziel käme, dass sie ihn vor Unfällen bewahre. Und zweimal hab ich ihn schon vor Unfällen bewahrt, aber ich bin weder die heilige Jungfrau noch der liebe Gott. Das erste Mal hab ich ins Steuer gegriffen, weil er ein Motorrad-Taxi übersehen hatte, sonst wäre sicher der Fahrer und seine Passagierin hopsgegangen. Gestern hab ich ihn durch einen Warnschrei dazu genötigt, auf die Bremse zu treten, sonst wäre er auf einen LKW mit herausragenden Eisenstangen geknallt und diese hätten sich in mich gebohrt). Ich fühle mich erinnert an meine Ägyptenerlebnisse, wo auf offener Straße gebetet wurde, fünfmal am Tag, wo man wenigstens, wenn man mit dem Auto fuhr, zum Beten am Straßenrand hielt, mit enormen Gruppenzwang, mit Parolen, die jedem Gedanken von freier Entfaltung des Geistes entgegen sprechen, mit der Nichttolerierung Anders- oder nicht Gläubiger, es soll derselbe Gott sein, der überall auf der Welt wieder Unheil über die Menschen bringt, oder der den Teufel gewähren lässt, wenn man dann an beide glaubt.

Außerdem halte ich den Vater für wenn nicht geldgierig, so zumindest geizig. Antje hatte gefragt, was sie zahlen solle, die Oberin Aurea sagte, sie solle auf keinen Fall zahlen, weil sie soviel mitgebracht und soviel geholfen hätte.  Natürlich hatte ihm Antje trotzdem einen Umschlag mit mehreren Hundert Euro gegeben, ich spürte aber, dass ihm das nicht genug war. Daraufhin habe ich ihm heute Morgen noch mal nen Umschlag mit Hundert € in die Hand gedrückt. Will ihn nachher fragen, ob es ihm reicht. Er selbst möchte aber alles umsonst haben, Lehrer, Architekten, Internetgestalter und vieles mehr, er beruft sich immer auf Gott, die Kirche und die Bedürftigkeit dieser Institution. Dabei führen er und seine Schwestern im Vergleich zum Land ein wahres Luxusleben. Schicke Kleidung, super Essen, zwei neue Geländewagen, sie selbst haben zwar kein eigenes Geld, aber kriegen alles, einschließlich Studium in Europa oder vorher hier. Aber der Informationsfluss wird gefiltert und zensiert, „Brot und Spiele“, wie bei den alten Römern, um das Volk ruhig zu halten. Gestern hat der Père eine geistig behinderte Frau, die zu Betteln kam, mit physischer Gewalt weggedrängt und sich dann sofort hinterher angewidert die Finger gewaschen. Andererseits dieses bei ihm entstehende Hochgefühl, wenn irgendwelche wichtigen Leute kommen, wie Ostern der belgische Botschafter und einen Tag später der Apostolische Nuntius (Botschafter des Vatikans).  Muss damit erstmal klarkommen und alles einordnen.

Trotzdem – ein herrlicher Ort, ich erfreue mich immer wieder an der Landschaft, der Vegetation, dem Wechselspiel der Farben.

Zwölfte Woche

 

15.4.2013

Meine Arbeit stresst mich hier nicht, es ist für mich nicht besonders viel zu tun. Vormittags sitze ich in der Küche, schnibbel mit rum, bin auch viel schneller als alle anderen, aber in die Küchenplanung greife ich bei so einem eingespielten Team wie den Schwestern nicht ein, wenn ihre Arbeitsabläufe für die Versorgung von mehr als 100 Leute laufen soll. Also beschäftige ich mich mit anderen Dingen, bin viel auf Spaziergängen unterwegs, habe gelesen und viel geschrieben, unter anderem auch über meinen „Glauben“, denn ich habe mir sehr viel Gedanken über meinen persönlichen Glauben und wie ich dazu gekommen bin gemacht. Letztes Wochenende war ich von Freitag bis Sonntag in Gisenyi, es liegt im nördlichen Bereich des Kivu-Sees and der Grenze zu Goma (Kongo). Wir (ein amerikanischer Diplomat, ich glaube eher, er arbeitet für das CIA, eine amerikanische Dozentin für Literatur an der Uni in Kigali und die persönliche Beraterin des Bürgermeisters von Kigali, ebenfalls US. Amerikanerin, vor der man sich in Acht nehmen muss, weil sie nicht wieder aufhört zu reden, und offensichtlich war ich ihr erklärtes Opfer). Wir waren im Paradis Hotel, Chuck (so hieß der Intelligence Mann) hatte die anderen von Kigali mitgenommen und mich in Ruhengeri aufgesammelt.

Das Hotel hat einen schönen Badestrand, Lodge-Charakter und ziemlich gutes Essen, und die Regenzeit hatte – zumindest tagsüber – Pause gemacht. Bin gewandert auf dem Nile-Congo Trail (träume jetzt davon, die 190 km auf ruandischem Gebiet mit dem Mountainbike zu absolvieren), war bei einem Benediktiner-Kloster auf diesem Weg direkt am See (dort fahren unsere Schwestern immer zum „Urlaub“ hin, hat eine traumhafte Lage, lädt zum Schwimmen in dem 25° warmen Wasser ein, es ist ganz weich und umschmeichelt die Haut). Am zweiten Tag bin mit der Quasseltante Donna im Einbaum Kanu gefahren, leider wollte sie wegen Ermüdung alle fünf Minuten die Seite wechseln, zunächst unangekündigt, da sind wir fast gekentert, trotz oder wegen meiner langen Erfahrung konnte ich es gerade noch verhindern.

Dort im Paradis Hôtel trafen wir noch eine alleinreisende junge amerikanische Ärztin, die für ein halbes Jahr in Buschhospitälern arbeitet, die wollte mit zum Foyer, weil ich und Chuck (der das hier oben gut kennt) ihr soviel erzählt hatten. Weil sie polnische Großeltern hatte, ein paar Brocken dieser Sprache konnte, blondes Haar und blaue Augen hatte, konnte der Pater für sie doch noch ein Zimmer frei machen. Wir waren von der Hauptstraße mit einem Mototaxi gekommen, das ist ja immer ein Abenteuer. Ich glaube, dass es den Schwestern nicht gefiel, dass ich ein blondes Mädchen anschleppte, aber sie konnten wenigstens mal mit einer Originalamerikanerin mit Illinois-Akzent kommunizieren. Heute nach dem Mittagessen ist sie mit einem Mototaxi wieder weg, wollte morgen zurück nach Uganda.

Tägliches Mittagsbüfett

 

Fare-well-speech for the Community of the Foyer de Charité Remera at April, 25th 2013

Dear Sisters, dear Father,

Today 12 weeks ago I landed in Kigali, to visit the first time in my life a Central African Country. But it was my personal will to come to Rwanda, because – in spite of being retired – I am still curious about other countries, other cultures and other people.

I had no contract, there were no extended negotiations, there were only some e-mails between Father Zdzislaw and me, we arranged the period of time from the 1st of February till the end of April to come and to teach English at different levels. I booked a reasonable flight, asked for a vaccination against yellow fever, bought some travel guides about Rwanda, checked successfully the Wikipedia websites about history and nowadays policy of the country, tried also to find the website of the Foyer de Charité in Remera (without success), looked for books and material at different levels for teaching English, and I have been the last days before my departure very excited.

Kigali for two days, then our father and three sisters (Chantal and Odile) picked me up at Marions home in the capital.

A two-hours trip up- and downhill, through the country of “Mille Collines”, occasionally some shopping at the “supermarket”, and finally we landed at the front court of the Foyer. About 12 sisters waited for us (or especially for me, because they were curious about their new teacher). A well tasting Sunday lunch was expecting us, and I was no longer excited, all my strain dropped away. I arranged myself in a wonderful room with fresh flowers, the Father showed me the site, I placed in my classroom and we agreed to start the next morning with lessons.

Four weeks lessons, two groups, morning and afternoon, all besides the normal routine for you, dear sisters, and you were engaged and ambitious students. I thought about my teaching time in the past and came to the conclusion that teaching the Sisters has been for me the most satisfying challenge in the last forty years.

Then we had the time of “short lessons”, a group has been here in the Foyer, and the sisters have been required for other tasks, kitchen, rooms, in the service. I helped as much as I could and as much I was allowed in the kitchen, and everything I did, I did with passion, without complaining, without teaching in this place. Important has been our communication besides the lessons, we had “walk and talk” and we had “work and talk”. I taught you a lot of new words for kitchen and for food, I noticed with cryptic joy that you started to talk to each other in English, and I listened with all my sentiments when you were singing “Amazing Grace” while washing the dishes.

You learnt a lot about my family, I was so happy, because you have taken my granddaughter Sophia to your hearts. “Watching pictures” was a good warm up for the lessons and brought us closer to each other!

But lessons became less and less important, big groups have been here, and this was a “full employment” for all of you, also for the Father, besides all the spiritual joys and duties. I sometimes had the feeling of being “unneeded” and without any responsibility. You noticed this and tried to build me up again.

The two weeks with my sister Antje were great. You helped her to be accepted at once, you communicated with her and integrated her in the community.

The last three weeks passed very fast. Some short trips to Kigali, to Lake Kivu, some hikes in the neighbourhood, daily routines without lessons, but a lot of communication. Now I will leave, tomorrow morning, from a place, which has been like a home and where the members of community have been like a family for me.

In my thoughts I see a scale with two pans:

In one of the pans I put all the things I could give and in the other what I received.

First the things which I gave:

I brought

  • some books, some material
  • my open mind, I left all prejudices at home (if there had been any)
  • some ideas, but I noticed, they were not new
  • my passion to teach but to work in the kitchen as well, all kinds of work
  • my love and curiosity for people, languages, cultures
  • sometimes charcuterie and European bread for the father and me
  • my willingness to open my heart and my mind for my sometimes disappearing faith

These things I put into the left pan of the scale.

But now I must put all the things I got into the right pan of the scale.

I received

  • good and healthy food
  • comfortable and clean rooms
  • a beautiful countryside
  • the feeling to be protected and to live safe
  • the open mind of the Father and the Sisters
  • the feeling to have become a member of the community
  • the sensibility of the community, when my mood changed
  • open talks and discussions with the community members
  • spiritual ideas and the encouragement to think seriously about my faith

These things, I put into the right scale of the pan, are much heavier, that means, things and ideas I can carry home are much more than I brought – I will go home much richer than I came to the Foyer.

Thank you to all of you!! If I could, I would carry all of you with me home to Germany. But this is your place, and you are part of this wonderful Foyer. And I feel your grace of charity, you give to me and to so many other people as well. You are in my heart and in my mind, and all these memories I can carry home!

I came as a teacher, but you were teaching me!

And I did not only meet interesting and important people, every day I had the feeling, that I met God. I noticed him in the nature. He did not talk to me, but sometimes he smiled at me, with a wink in his eyes. And this I will carry home, and I am sure, God will not forget me, when I believe in him.

I hope to meet you again! You are welcome to visit me!

Thank you very much

Teacher Klaus

Remerera,  March 25th, 2013

Remera,          25.4.2013

Charte/Mission Statement/Leitbild of the Foyer de Charité de Remera

Oui, le Seigneur veut un Foyerde Charité au Rwanda. Il faudra y precher une charité aus-dessus de ce qui sépare.

Voyez-vous: touts ces differences des races, de langues, des cultures sont le signe visible de l’infinie richesse de l’Amour.

Marthe Robin au Père Claessens

17 aout 1965

Ja, der Herr will ein Haus der Nächstenliebe in Ruanda. Es ist notwendig, dort Nächstenliebe zu predigen unter denen, die unterscheiden und trennen.

Sehen Sie: alle diese Unterschiede der Völker, der Sprachen, der Kulturen sind das sichtbare Zeichen des unendlichen Reichtums der Liebe.

 

Marthe Robin an Père Claessens am 17. August 1965

Steinplatte mit dem Leitbild

 

Glaube – wie ich dazu kam und wie ich davon immer wieder abfalle

Ich sei Christ, hat man mir gesagt, solange ich mich erinnern kann. Ich sei schließlich getauft. Die erste Erinnerung an das, was eine Taufe ist, ist die Taufe meiner Schwester. Ich war vier, sie war ein Baby. Vor allem weiß ich, dass hinterher alle bei uns saßen, getrunken und gegessen hatten. Was eine Taufe bedeutet, sagte man mir auch: Dann sei die Person Christ oder Christin, ein ganzes Leben lang, und man würde von Gott beschützt werden, ebenfalls ein ganzes Leben lang. Die erste richtige Christin, die ich kennenlernte, war Frau Langenbach. Sie war schon 78 Jahre alt, als der Krieg zu Ende war und wohnte danach bei uns im ersten Stock 12 Jahre zur Untermiete, und von ihr nahm ich bestimmt an, dass sie in den Himmel kommen würde. Sie las jeden Abend in der Bibel, hatte immer warmes Wasser für unsere Wärmflaschen, bevor wir zu Bett gingen und sagte jedes Mal, bevor wir ihre Küche verließen: „Gott beschütze euch!“

Doch wer war Gott? Das erklärte man mir auch. Der sei im Himmel, über uns, würde alles sehen, auch wenn wir die Bettdecke über den Kopf ziehen, und man müsse zu ihm beten. Meine Mutter übte es mit uns. Zuerst ein einfaches Gebet: „Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ Dann ein Gebet für unseren Vater, der als Seemann meistens nicht zuhause war und den Gott schützen sollte… Dann lehrte sie uns das „Vaterunser“. Doch wer war schon wieder Jesus? Auch das erklärte man uns. Er sei Gottes Sohn, hätte die Sünden der Menschheit auf sich genommen und sei dann dafür ans Kreuz geschlagen worden, vor ganz langer Zeit, in einem fernen Land. Doch was waren Sünden? Das merkte ich sehr schnell, nämlich wenn ich etwas tat, was ich nicht durfte, was also dem lieben Gott, meiner Mutter und später meinem Lehrer nicht gefiel, das waren Sünden, das merkte ich, wenn ich eine Ohrfeige, ein Hinternvoll oder Schläge mit dem Riemen bekam, ich in den dunklen Keller eingesperrt oder von meinem Lehrer gezüchtigt wurde. Ich merkte, dass Gott, meine Mutter oder mein Lehrer unbedingten Gehorsam wollten, wobei mir die Reihenfolge nicht ganz klar war. Aber christlicher Glaube hatte was mit dem Gehorsam zu tun, ohne zu fragen, warum, das merkte ich schnell. Und die Sünden und der Gehorsam kriegten auch 10 Nummern, die 10 Gebote lernte ich nämlich gleich in der Schule, im Religionsunterricht. Und gegen die verstieß ich manchmal. Ich ehrte nicht immer meine Mutter, ich log manchmal, um meine Haut zu retten (und nur manche Lügen kamen heraus und wurden dann bestraft), ich redete manchmal schlecht über andere, und ich war neidisch, weil ich Dinge begehrte, die andere besaßen, aber ich nicht hatte oder bekam. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass meine Mutter Gott sehr nahe war, und ich hatte Angst, dass sie ihm auch etwas Schlechtes über mich erzählen würde, dann beruhigte ich mich aber wieder, weil ich ja wusste, dass Gott sowieso alles sieht, und abends vor dem Schlafengehen erzählte ich es dem lieben Gott lieber selbst. Aber wieso „Lieber Gott“? Ich verstand das nur so: Gott kann zwar alles sehen, aber manchmal guckt er auch beiseite, denn er will ja auch „lieb“ sein, und wahrscheinlich gefiel ihm, dass ich es ihm sagte, so dass er mich nicht bestrafte oder durch oben genannte Personen nicht bestrafen ließ. Aber wieso ließ Gott meine Großeltern sterben? 1944, in einer Bombennacht, als ich noch gar nicht lebte? Warum diese beiden, die nie eine Sünde begangen hatten, wie mir meine Mutter erzählte? Warum war er da kein „Lieber Gott“ sondern verhängte die Todesstrafe über sie? Manchmal ging ich auch zum Kindergottesdienst in die Kirche, wo man dem Lieben Gott sehr nahe war, deshalb wurden die Kirchtürme auch in den Himmel gebaut, erklärte man mir. Und Jesus war da auch immer, am Kreuz, als er unsere Sünden auf sich genommen hatte.  Dort im Kinder–g-o-t-t-e-s–dienst, wo also Kinder Gott (nicht dem Gott, weil für die Christen nur einen gibt, wie ich dort erfuhr) dienen, lernte ich, was ein „Diener“ ist. Sich vor dem Kreuz verneigen, auf den Boden schauen, die Hände falten, gerade stehen oder gerade sitzen (das geht auf Kirchenbänken auch gar nicht anders), Geschichten von Jesus anhören, wie er Menschen heilte, wie er getauft wurde, wie er aus Wasser Wein gemacht hat, wie er Brot und Fische immer wieder geteilt hat, damit alle satt werden, dass er Jünger hatte (das Wort hatte ich erst sehr spät verstanden), dass er von den „Juden“ ans Kreuz gebracht wurde (obwohl man gar nichts Schlechtes über Juden sagen durfte, weil die Deutschen einige Jahre vor meiner Geburt zu ihnen sehr, sehr böse gewesen waren), dass er auferstanden ist, wir deshalb Ostern feiern, und dass er von der Jungfrau Maria geboren wurde, darüber solle sich die Menschheit freuen und deshalb Weihnachten feiern. Was Jungfrau bedeutete, hab ich erst sehr viel später verstanden, Weihnachten kannte ich und fand ich gut. Aber ich war Christ. Manchmal sprach man von den armen Heiden, die nicht an Jesus Christus und den lieben Gott glaubten und die es vor allem in Afrika gab, sie taten mir sehr leid. Aber meine Mutter sagte mir, es gäbe auch Heiden in der Nähe, denn manche lassen ihre Kinder nicht taufen, weil sie nicht in der Kirche seien, das sei ihnen zu teuer. Das verstand ich auch nicht, weil wir außer den Groschen für den Klingelbeutel in der Kirche ja nichts bezahlen mussten, das mit den Steuern kapierte ich auch nicht. Aber dass diese Kinder nicht in den Himmel kommen, zu Jesus und meinen Großeltern, das verstand ich schon. Und das gefiel mir, denn dann musste ich da oben nicht meinen Mitschüler Reginald Daskowsky wiedersehen, der Heide und in der dritten Klasse schon zweimal sitzengeblieben war, und der mich immer schlug, wenn er mich sah.

Und ich lernte auch, was Glaube war: Wenn ich etwas nicht verstanden hatte, musste ich es einfach glauben. Und es gab immer etwas, was ich nicht verstand. Zum Beispiel das mit Schöpfung in sieben Tagen, und das mit Adam und Eva, dass beiden die nicht von einem bestimmten Baum eine Frucht essen sollten. Aber das hatte wieder mit Gehorsam zu tun, da sollte man nicht „warum?“ fragen, und Gehorsam hatte wieder was mit Glauben zu tun, wie auch bei Abraham, der dem „Lieben Gott“ gegenüber so gehorsam war, dass er auf dessen Befehl fast seinen Sohn ein Messer in die Brust gerammt hätte. Dabei wollte Gott nur sehen, ob er gehorchen würde, das war auch Glaube. Als ich das das erste Mal hörte, war ich ungefähr so alt wie damals Isaak, und ich hoffte, wenn Gott dasselbe noch mal mit meinem Vater versuchen würde, dass dieser den Gehorsam verweigern würde.

Zum Glück kam irgendwann der Konfirmandenunterricht, in dem auch Mädchen waren. Das war auch ungefähr die Zeit, als ich lernte, was „Jungfrau“ bedeutete. Das ließ mich ein bisschen zweifeln, ob das wirklich so war mit der Geburt des Jesuskindes. Mir gegenüber saß jedenfalls ein Mädchen, die hieß Brigitte und war bestimmt eine Jungfrau, sie war jedenfalls so schön wie die Maria auf den Bildern in manchen Kirchen. Obwohl ich überhaupt nichts an diesem jungfräulichen Zustand ändern wollte, musste ich sie immer angucken. Wenn sie zurück guckte, wurde ich rot und senkte meinen Blick. Weil sie sehr fleißig war, wollte ich mir auch keine Blöße geben. Ich lernte den Katechismus, Lieder, beteiligte mich an Diskussionen, nur Brigitte kam ich nicht näher. Ich weiß gar nicht, ob sie meinen Namen kannte. Ich mochte nicht nur Brigitte, auch unseren Pastor. Wir mussten weniger Lieder und Gebete lernen als die Kinder bei seinem Kollegen, der immer ganz streng guckte. Und wir mussten keine Stempelkarte führen, wie oft wir in der Kirche waren. „Wer eine Karte führen muss, ist versucht zu betrügen“, sagte er uns, „kommt, wenn euch danach ist“. Das tat ich auch. Ich ging nur zu ihm in den Gottesdienst. Brigitte übrigens auch. Und die Mitschüler, die beim anderen Pastor waren, gaben ihre Karten einfach jemand anders mit. Oder kamen erst zum Schluss. Sie betrogen also und sündigten. Ich nicht! Mein Pastor bestärkte mich im Glauben, Brigitte hatte auch was damit zu tun. Und meinen Pastor verstand ich am Sonntagmorgen, nicht nur die Worte, auch den Inhalt.

Endlich kam die Konfirmation. Erst die Prüfung vor dem Superintendenten. Den beeindruckte ich sichtlich mit meiner Antwort, auch Brigitte schien zu staunen. „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“, dieses Goethe-Zitat aus dem „Faust“ (meine Mutter kannte es, denn sie kannte den Faust auswendig) mussten wir mit der Aussage aus dem Alten Testament (2. Mose 20,5) „Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied……“ vergleichen. Das gefiel nicht nur mir, weil ich das erste Mal bei Religion denken durfte und nicht glauben musste, sondern meine Antwort auch dem Pastor und Superintendenten, der mich hinterher noch in ein Gespräch verwickelte, wobei ich leider Brigitte aus den Augen verlor, denn ich hatte mir fest vorgenommen, sie an diesem Tag anzusprechen. Ich sah sie dann nur noch bei der Konfirmation, sie hatte ein ganz hübsches Kleid an, fand ich. Wenige Wochen später begegnete ich ihr noch mal, mit ihrem Freund, einem aus der 10., sie ging Hand in Hand mit ihm, mich beachtete sie nicht, dabei hatte ich sie ziemlich oft in meine Gebete zu Gott eingeschlossen.

Die Konfirmation war gar nicht für mich. Außerdem wurde mein Bruder, der ein Jahr älter war, am selben Tag konfirmiert. Weil mein Vater, der Seemann war, nicht jedes Jahr zu dieser Zeit Urlaub nehmen könnte, hieß es offiziell. Jedenfalls kriegte jeder nur die Hälfte dessen, was sonst geschenkt wurde, schließlich gingen die Gäste ja auch nur zu einer Feier. Und die kamen vor allem, weil es gutes Essen gab, viel zu trinken (das war damals wichtig), ich ging jedenfalls immer wieder in die Küche und schenkte mir Wein ein (ich hatte ja schließlich das Abendmahl eingenommen), am Abend gab mir Onkel Kurt sogar Schnaps. „Jetzt bist du ja erwachsen“, sagte er mir. Gelegentlich dachte ich an Brigitte, wie das bei ihr so zugehen würde. Jedenfalls hatte sie keinen Bruder, mit dem sie teilen musste!

An und für sich war damit das Thema Glaube abgeschlossen. Im Religionsunterricht in der Schule hatten wir Herrn Döring, Freitag 6. Stunde, der war langweilig, heuchlerisch und salbungsvoll. Und für die Kirche am Sonntagmorgen hatte ich keine Zeit, ich musste zum Turnen, da war nämlich inzwischen Gabi, die mich Brigitte zwar vergessen ließ, aber mit der es trotzdem nicht zu dem gewünschten Austausch kam. Kirchbesuch war Weihnachten, vor oder nach der Bescherung, war immer die Frage. Ich mochte Weihnachten gar nicht mehr, entschloss mich irgendwann auch, nicht mitzugehen, vor allem, weil ich an die Geschichte mit der jungfräulichen Empfängnis von Jesus nicht glaubte, und die Geschenke damit auch nichts zu tun hatten, denn auch die Heidenkinder wie Reginald Daskowski kriegten bestimmt was geschenkt. Aber ich war Christ, von anderen Religionen wusste ich nichts, nur von den Katholiken, mit denen wir denselben Gott und Jesus Christus und dieselbe Bibel hatten, aber zum Glück hatten wir Martin Luther, der manche Dinge anders sah, zum Beispiel, dass der Papst nicht alles weiß und dass man ruhig heiraten darf, wenn man Pastor ist. Meine Mutter hörte sonntags beim Kochen immer Kirche im Radio, ganz laut, ich wollte immer länger schlafen, wenn mal kein Sport war, konnte ich aber wegen des Radiogottesdienstes nicht.

Trotzdem, ich war Christ. Und was tat ich dafür? Ich hatte bestimmte Werte, die mein Leben bestimmten, und die mich hinderten, manche Dinge zu tun, die ich gerne getan hätte. Die mich zum Gehorsam gegenüber dem Christen in mir erzogen. Manchmal verweigerte ich den Gehorsam, und ich merkte, dass es mir guttat. Und ich blieb Christ, wurde aber einer, der es kaum merkte. Ich blieb auch später in der Kirche, obwohl ich Kirchensteuern bezahlen musste.

Und als ich 22 war und in einem internationalen Jugendaufenthalt Kinder betreute, da lernte ich „Mimo“ kennen, einen Studenten aus Italien, der Priester werden wollte, und dieser Mimo gefiel mir. Sein Leben, sein Beten, seine Geduld, seine Toleranz mir und anderen gegenüber, die nicht fest im Glauben waren, und ich merkte, dass „Christ sein“ mehr war als ich es war.

Ich sah ihn nur einmal wieder, blieb einige Tage bei ihm in seinem Kloster in Lyon, wo er studierte, verlor ihn dann aus den Augen. Aber Mimo war ein Grund, Mitglied der Kirche zu bleiben. Solange es Menschen wie ihn gibt, dachte ich, lohnt es sich Christ zu sein. Und ich merkte auf einmal auch, was „Christ sein“ bedeutet, was Nächstenliebe ist und dass man es praktizieren kann, jeder für sich, und vor allem ich für andere. Leider gelang es nicht immer. Vor allem im persönlichen Bereich, mit Eltern, Geschwistern, mit Partnern. Nächstenliebe muss gelernt werden, dass merkte ich, und Nächstenliebe hat auch nichts mit Liebe, Erotik und Sex zu tun. Wahrscheinlich ist das Wissen darum das wahre Evangelium.

Eheschließung ohne kirchliche Trauung, weil es mir heuchlerisch und kleinkariert vorkam, Taufe der Kinder erst mit 13 und 10, weil sie es selbst entscheiden sollten, der Zeitgeist lässt grüßen. Konfirmation der Kinder, aber keine christliche Erziehung, vielleicht einige übergeordnete Werte. Diskussionen mit einem Pastor, denn er fand meinen Sohn Malte als ungehorsam, weil widersprach und Fragen nach dem „Warum?“ stellte. Keine Diskussionen über das Christentum zu Hause, nicht mit der Partnerin, mit fast niemandem. Begegnungen mit anderen Religionen, vor allem dem Islam. Berufsbedingt. Ich wollte die Gemeinsamkeiten beider Religionen mit demselben Gott herausfinden, suchte die Möglichkeit, beides zu verbinden, ohne zu wissen, dass beide Religionen einen Mittelweg nicht zulassen. Enttäuschung über Islam und Christentum, Beschäftigung mit Buddhismus, ob er diese Möglichkeit bietet, mit der russisch-orthodoxen Kirche auf Grund einer Beziehung, aber ich tat es nur dafür. Ebenso Suche bei den fröhlich modernen Pfingstlern, die mit Rockmusik, Pastoren in Jeans und großartigen Sprüchen Gehirnwäsche betreiben, Macht ausüben und jede Freiheit einschränken, alles versehen mit dem Label „Nächstenliebe“, alles mit ständiger Kontrolle in Hauskreisen, im Gemeinschaftsleben und durch völlige Einbindung in die Gemeinde. Berührung mit dem Judentum, orthodox und reformiert, in New York. Dann Leben in einer islamisch dominierten Gesellschaft, Berührung mit Dschihadisten, die die Ungläubigen bekehren oder ausrotten wollen, mit islamischen Missionaren, Salafisten, alles ohne infiziert zu werden, Kenntnisse über Menschen im Islam. Besuch der heiligen Stätten in Bethlehem und Jerusalem, der von David gegründeten Stadt des Friedens, die fast 3000 Jahre nur Krieg um den rechten Glauben erlebt hat. Das inmitten des Staates, dessen Bürger sich als „auserwähltes Volk“ verstehen, die selbst fast vom Genozid ausgerottet wurden, die aber selbst Dezimierung und Vertreibung der Palästinenser betreiben, dazwischen die Pilger, die die Stätten der Jesuslegenden verehren, von verschiedenen christlichen Kirchen, die sich noch heute in Jerusalem auf offener Straße wegen des rechten Glaubens prügeln, Beschäftigung mit der pharaonischen Kultur Ägyptens, die eng mit der Geschichte des Alten Testaments zusammenhängt, häufiger Besuch von koptischen Klöstern in Ägypten und viele Gespräche mit Angehörigen der koptischen Christengemeinschaft, die als Minderheit in einer islamischen Mehrheitsgesellschaft unterdrückt wird.

Das alles entfernte mich vom Christentum. Ich traf Beispiele, die sich interreligiös arrangiert hatten, an den Gesetzen ihrer Religionsgemeinschaft vorbei. F. war so ein Beispiel, sie war als Kind eines moslemischen Vaters und einer protestantischen Mutter in Deutschland geboren, die ersten Jahre unter anderem im Iran aufgewachsen, kam dann in Geburtsort bei Hamburg zu ihrer Großmutter, die sie taufen ließ, obwohl sie nach moslemischen Glauben immer Muslima bleiben würde. Wieder im Iran wurde sie vertraut mit Ritualen des moslemischen Glaubens, mit dreizehn wieder in Deutschland wollte sie sich wie die Klassenkameradinnen konfirmieren lassen. Später Eheschließung mit einem Iraner, Kinder, die mit beiden Glaubensrichtungen vertraut waren, ohne dogmatisch auf etwas festgelegt zu sein. Mit beiden Religionen einig sein, ohne Schuldgefühle, trotzdem oder gerade deshalb gläubig. Aber solche Modelle darf es nach Auffassung der Religionsgemeinschaften überhaupt nicht geben, sie sind nur möglich, wenn das religiöse Überich nicht so stark entwickelt ist, dass es sich noch über die Dogmen der jeweiligen Religionsgemeinschaften hinwegsetzen kann!

Mit dem katholischen Glauben kam ich erst in Berührung, als ich auf Reisen war und Kirchen besichtigte, die als kunsthistorisch wertvoll galten, vor allem in Süddeutschland und im südlichen Europa. Der Prunk war mir fremd, die Rituale der Besucher wie Kreuz schlagen und niederknien ebenfalls, genauso wie die in Bildern und Statuen ausgedrückte Marienverehrung. Die katholische Kirche schien mir eine Kirche der Reichen zu sein, und ich konnte meinen protestantischen Gründungsvater Martin Luther verstehen, der sich davon abgewendet hatte.

Die Nachrichten über die katholischen Dogmen wie Verbot von Empfängnisverhütung, Unrechtmäßigkeit von Ehescheidungen, und vor allem die Eucharistie, bei der ein Katholik glauben müsse, dass er real Jesus Blut und seinen Körper zu nehme, um von den Sünden befreit zu werden, ließen mich immer mehr Abstand nehmen.

Ich kannte kaum einen gläubigen Katholiken, und Bilder aus dem Vatikan kamen mir wie Kasperltheater vor. Ich überblickte zu jener Zeit nicht, dass das ganze System der Machtausübung über fast eine Milliarde andere Menschen dient, zutiefst undemokratisch und dogmatisch, einflussnehmend bis in die privatesten und intimsten Bereiche menschlichen Lebens.

Zu meiner intensivsten Berührung mit dem katholischen Glauben kam es vom Februar 2013 an. Ich hatte eine Tätigkeit als Englischlehrer in einem Kloster der Gemeinschaft „Foyer de Charité“ im Norden des zentralafrikanischen Landes Ruanda angenommen, gelegen in einer atemberaubenden Landschaft auf 2000 m, umgeben von Vulkanen von über 4000 m Höhe. Meine Aufgabe war es, 11 der 16 Schwestern in Englisch zu unterrichten, weil die Amtssprache 2009 durch Erlass der Regierung von Französisch auf Englisch geändert wurde. Die Schwestern leben mit einem die Community führenden Pater zusammen, neben der Pflege ihrer christlichen Rituale leben sie von der Vermietung ihrer Anlage für spirituelle Veranstaltungen, sie sind durch eigene Landwirtschaft weitgehend Selbstversorger und sind nach Aufnahme ihrem Orden lebenslang verpflichtet, einschließlich der Bereitschaft auf persönliches Eigentum zu verzichten. Obwohl fast alle Schwestern eine Ausbildung bzw. ein Studium haben, übernehmen sie im wöchentlichen Wechsel alle anfallenden Arbeiten in der Gemeinschaft. Die Schwestern tragen keine Ordenstracht, sondern sind „klassisch“ gekleidet, allerdings tragen sie keine Hosen, sondern lange, weite Röcke. Der Père ist der spirituelle Leiter, aber auch im geschäftlichen Bereich (denn das Kloster ist auch als Wirtschaftsunternehmen anzusehen) trägt er die Verantwortung. Es sind moderne, meist renovierte Gebäude aus den 60-er und 70-er Jahren, der Fuhrpark besteht aus zwei neuwertigen Geländewagen (davon ein Pick-Up mit Doppelkabine), Menschen aus dem Dorf stehen als Arbeitskräfte für Küche, Haus, Park und Landwirtschaft zur Verfügung.

Hier war also mein neues Betätigungsfeld. Ich sollte und wollte kein Geld verdienen bei diesem Job, Wohnen und Essen war der ausgemachte Lohn, und ich versprach mir einen Einblick in ein anderes Land, in eine andere Kultur, und vor allem einen Einblick in den christlichen Glauben – meinen eigenen, zu dem ich wohl wieder finden wollte -, aber auch in den Glauben, den andere praktizieren, in der Gemeinschaft, stark, sich gegenseitig unterstützend, mit voller Überzeugung. Die Schwestern hatten sich zu dieser Gemeinschaft entschlossen, Gott, Jesus und der Jungfrau Maria zu dienen, wahrscheinlich in dieser Reihenfolge, oder auch ohne Abstufung. Der Ort der täglichen Messe und Andacht ist die „Chapel“, ein schlichter Rundbau, ein Altar aus rohem Holz, ein schlichtes Kreuz hinter dem Altar, nicht direkt, dass der Priester es während seiner Amtshandlungen verdeckt, sondern leicht nach links angeordnet. Auch der linken Seite vorne zum Altar ein Bild der Jungfrau Maria, das durch bestimmte Lichteffekte bei der Anbetung der Jungfrau am Ende des Gottesdienstes besonders in Szene gesetzt werden kann. Kirchenbänke gibt es nicht, stattdessen, für eine flexible Sitzordnung, Stühle mit Rohr bespannt, das Sitzkissen kann dazu genutzt werden, sich nieder zu knien. Keine Orgel, kein Harmonium, einige Trommeln. Die Musik lebt vom Gesang der Schwestern, alle haben eine Ausbildung durch eine Gesangslehrerin. Gepredigt und gebetet wird in der Regel in Französisch, außerdem gelegentlich in Kinyarwanda, zunehmend soll die Liturgie auf Englisch abgehalten werden.

Der Abschluss jeder Messe bildet die Eucharistie, bei der durch die in Wein getauchte Hostie der Leib und das Blut von Jesus Christus aufgenommen wird, und darin müsse man glauben, dass es so ist, und außerdem müsse man die katholische Kommunion erfahren haben. Ich kann nicht daran glauben, und, als ich es versuchte, merkte ich auch, dass ich es nicht will, auf keinen Fall, irgendwie dachte ich dabei an Kannibalismus. Als Protestant ohne Kommunionserfahrung war ich glücklicherweise sowieso ausgeschlossen.

Die Gesänge betörten mich, engelsgleich, und die Schwestern schlugen mir auch immer die richtige Seite im Buch auf, auf der ich den Text nachlesen konnte. Es fiel mir schwer, alles zu verstehen, aber auch auf Deutsch hatte ich früher die Psalmen nicht verstanden. Was mir gut tat, war die meditative Phase, die ich durch den wunderschönen Gesang empfand. Und ich versuchte mich in dieser Phase auf den Glauben konzentrieren, aber ich merkte jedes Mal, der hier praktizierte Glaube war nicht meiner. Der Vater – ein mir sehr sympathischer Mensch – schlüpfte hier in eine andere Rolle, für mich war es vom ersten Moment unakzeptabel, ihn als Beauftragten einer höheren Instanz zu empfinden, der eine Verbindung für mich zu meinem Gott darstellte, insofern war ich sehr zufrieden, vom Abendmahl ausgeschlossen zu sein.

Als Außenseiter kam ich mir vor, weil ich als Protestant mich weder niederkniete noch das Kreuz schlug, aber auch hierüber war ich froh, denn für mich wäre es nur ein „Mitmachen“, ohne von der Handlung überzeugt zu sein. Ich spürte einen zunehmenden Dogmatismus, dem ich mich auf keinen Fall unterwerfen wollte, und ich wollte meinen Stolz ausleben, anders zu sein. Auf die Frage einer Schwester, ob ich nicht glauben würde, sagte ich, dass wir Protestanten uns vor dem Herrn verneigen, aber weder niederfallen noch das Kreuz schlagen. Aber hatte ich ihre Frage überhaupt beantwortet?

Ein besonderes Erlebnis war die Osterliturgie, angefangen am Palmsonntag, über den Gründonnerstag, den Karfreitag bis hin zum Ostersonntag. Mein Eindruck war, dass es ein endloses Rollenspiel war, die handelnden Personen wurden von den Schwestern gelesen, der Père blieb immer in der Rolle des Jesus, es gab Prozessionen, die Kirche war wie eine Bühne geschmückt, wunderschön, wie ich empfand, die Fußwaschung am Gründonnerstag hatte für mich nichts mit Glauben zu tun, denn die wirklich Armen, die ihr Leben lang barfuß Laufenden aus dem Dorf, deren schmutzigen und schwieligen Füße wurden nicht gewaschen, sie blieben draußen. War ich in einer Kirche für die Besseren? Waren unsere Schwestern arm, weil sie keinen persönlichen Besitz hatten, stattdessen alles von der Gemeinschaft bekamen? Waren sie nicht reich? Warum sollte ich einem Gott dankbar sein, der mir zwar ein gutes Leben beschert hatte, aber Millionen verhungern, durch Krankheiten, Kriege und wie hier in Ruanda durch Genozid töten ließ? Gläubige Menschen, nicht nur hier, auch anderswo? War dies ein Gott der Armen? Die Frage stelle ich mir immer wieder, wenn ich hier durchs Dorf gehe, oder morgens beim Joggen die Menschen mit dem Feuerholz oder dem Wasserkanister auf dem Kopf, sehe, beides schleppen sie kilometerweit, oder wie sie ihre mit 200 kg beladenen Fahrräder die Berge hochschieben, oder mit dem Kind auf dem Rücken und Lasten in der Hand im Dunkeln zu Fuß 16 km von der Stadt in ihr Dorf gehen, barfuß, als Wegzehrung vielleicht einen Maiskolben in der Hand.

Alle sind gläubige Christen, oder muss ich sagen: Katholiken? Was tut dieser Gott für die Menschen, warum sollen sie besser sein? Und sind die Schwestern und ihr Vater bessere Menschen? Habe ich nicht neulich gesehen, wie der Pater eine bettelnde Frau, die zum Foyer kam, mit physischer Gewalt weggestoßen und sich hinterher angewidert die Hände gewaschen hat? Was tut Gott für diese Frau, wenn er selbst seinen Diener nichts tun lässt? Und lässt Gott den Vater sicherer Auto fahren, wenn er während Autofahrt nachts auf kurviger Bergstrecke ein halbe Stunde mit seinen Schwestern mantrahaft Gebete wiederholt, sich beim Überholen unbeleuchteter LKWs mehrfach bekreuzigt, anstatt sich auf die regennasse Fahrbahn zu konzentrieren? Zweimal konnte ich durch Eingreifen den Vater vor einem Unfall bewahren, obwohl ich nicht gebetet hatte.

Diese Kirche hat über 2000 Jahre überdauert. Sie hat Nächstenliebe gepredigt, aber vor allem an sich selbst gedacht. Sie hat von Frieden gesprochen, aber den Krieg gefördert und angeheizt. Sie hat Menschen, die in ihrem Glaubensbild glücklich und zufrieden lebten, zur Taufe gezwungen, unter Androhung von Gewalt oder dem Entzug von Liebe sowie materiellen Vorteilen. Sie hat für Toleranz und Verständnis geworben, aber ihr Regelwerk lässt beides nicht zu, bis heute. Sie verlangt Gehorsam, weil Gott es auch verlangt. Sie gestattet den Menschen, nach dem „Wie?“ zu fragen, aber niemals nach dem „Warum?“ Sie hat eine Institution aufgebaut, die Menschen zum Glauben verführt und ihnen die Ewigkeit verspricht, um über sie Macht zu haben und sie zu kontrollieren. Sie maßt sich an, für die Christen zu sprechen, aber wenn einige Christen etwas Kritisches sagen, wird es ihnen verboten. Sie spricht von Euthanasie, wenn zur Empfängnisverhütung Kondome oder die Pille genutzt werden. Sie will, dass die Christen viele Kinder zur Welt bringen, weil dann mehr Menschen unter ihrem Einfluss sind. Sie spricht von Bedürfnislosigkeit, und schmückt sich mit allen von Potentaten genutzten Insignien. Ihre Führer, die nie von unten ausgewählt, sondern immer nur von oben bestimmt werden, sind Potentaten, sie üben Macht aus, ohne Polizei, ohne Armee, aber sie nutzen das Instrument der Angst und des schlechten Gewissens, weil sie die Menschen „im Glauben lassen“.

Ich habe mich hier entschieden, von meinem bisher nicht besonders festen Glauben abzufallen. Ich will es nicht zulassen, ein schlechtes Gewissen zu bekommen, wenn ich nicht wie die anderen in die Messe gehe, das Tischgebet vergesse, kein Kreuz schlage. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich schlechter bin, dass Gott mich weniger mag. Gott – wenn es ihn gibt – muss mich gemocht haben, er hat mich 66 Jahre alt werden lassen, hat mir Arbeit und Wohlstand beschert, hat mir und meiner Frau gesunde Kinder geschenkt. Und er hat gewusst, dass ich nicht gehorsam bin, dass ich gesündigt habe, in Taten und Gedanken.

Während meiner Zeit hier in Ruanda fand die Papstwahl statt. Ein Papst wurde gewählt von Menschen (wenn Kardinäle keine Übermenschen sind), die von seinen Vorgängern bestimmt wurden. Diese Nachrichten durften die Schwestern sehen, kritische Äußerungen zum Verfahren und zur Wahl, die in freien Medien gemacht werden, waren nicht zugelassen. Und die allgemeine Weltpolitik sowieso nicht. Sie verdirbt den Menschen, wurde mir gesagt. Die Politik oder das Wissen darum? Das war mir nicht klar. Das Internet ist ähnlich. Was brauchen die Schwestern dieses Wissen? Es lenkt sie vom Glauben ab, wurde mir gesagt. Der Vatikan wird nie in Frage gestellt. Ist die katholische Kirche an der Bildung der Menschen interessiert? fragte ich mich. Nein, antwortete ich mir selbst, nicht an der wirklichen Bildung. An der Bildung, um sich mit Religion beschäftigen zu können, um einen Betrieb am Laufen zu erhalten, daran ist die Kirche interessiert, aber nicht an kritischer Bildung, die ermuntert, nach dem „Warum?“ zu fragen.

Das Kirchenmodell ist ein gut funktionierendes Businessmodell. Menschen, die funktionieren, brauchen eine „Corporate Identity“, die haben sie durch das Kreuz an der Halskette, durch des gemeinsame Beten und Singen, durch den Glauben, der ihnen Gehorsam abverlangt. Sie arbeiten, und sie sind gut versorgt (die Kirche bietet in ihren Einrichtungen ein „Rundum-Sorglos-Paket“). Es gibt keine Wege zur Arbeit, keine Ablenkung durch Liebhaber, Ehemänner, Kinder, keine ausgelebte Sucht nach Sex (bis auf wenige Ausnahmen beiderlei Geschlechts, die auch trotz Zölibats nicht darauf verzichten). Alle in der klösterlichen Gemeinschaft streben nach Wohlstand für diese Gemeinschaft, alle sind auf verschiedenen Positionen einsetzbar und damit ersetzbar. Schwestern und Vater haben einen hohen Lebensstandard, sie fliegen in der Welt herum, fahren Auto, besuchen Universitäten. Sie sagen, Gott meine es gut mit ihnen, weil sie für Gott leben. Aber alles was sie tun, tun sie für sich, nicht für Gott, aber sie glauben es. Und darum will ich nicht glauben, jedenfalls nicht an die Heilige Katholische Kirche, und nicht an einen Gott, dessen Bild von Menschen geschaffen wurde, um Macht auszuüben, Gehorsam zu erzwingen und sie darauf zu reduzieren, als ein Instrument für die Mächtigen zu funktionieren!

Nachtrag:

Ich habe hier im Foyer de Charité Remera-Ruhondo drei ungewöhnliche Monate verbringen dürfen, in welchen ich meinen Horizont über Menschen dieser Welt habe sehr erweitern können. Vor allen Menschen, die ich hier erlebt habe, den Arbeiterinnen und Arbeitern, den Schwestern, einzeln und in ihrer Gesamtheit sowie dem Vater habe ich die allergrößte Hochachtung. Ich sehe sie als Menschen, die einen besonderen Lebensstil pflegen, die sich mit großer Begeisterung und Hingabe ihrem Glauben (nicht dem Glauben) hingeben, der auch beinhaltet, dass sie durch die Entscheidung, Gott zu dienen, besonders auserwählt sind. Ich sehe sie allesamt als Gut-Menschen, und ich habe sie sehr in mein Herz geschlossen. Ich wünsche ihnen viel Glück und Erfolg bei der Erreichung ihrer Lebensziele.

Im Übrigen hatte ich heute gesehen, dass die bettelnde, barfüßige Frau wieder vor dem Foyer stand. Später traf ich sie im Garten mit anderen, als sie die Beete vom Wildwuchs befreite. Der Pater hatte ihr für diesen Tag Arbeit gegeben!

Remera Ruhondo, 16. April 2013

Nachlese – Gedanken 6 Wochen nach der Rückkehr

Am 29.4. landete ich wieder gesund und wohlbehalten in Hamburg.

Aber Afrika wirkt nach. In meinen Gedanken, in meinen Erzählungen, in meinen Plänen. Das einzige, das ich bedaure, ist, dass ich diese Welt erst so spät kennen gelernt habe, aber nicht zu spät, als dass ich nicht noch weitere Pläne machen kann.

Die Gorillas habe ich nicht besucht, ich glaube, dass ich da auch im Sinne von Diane Fossey gehandelt habe. Sie haben das Recht auf Ruhe, auch wenn sie unsere nächsten Verwandten sind. Aber ich habe mir den Film „Gorillas in the Mist“ angeschaut, der das Leben Diane Fosseys mit den Gorillas beschreibt. Dabei erkannte ich viele der Drehorte wieder, unseren See Ruhondo, das Panorama der Virunga-Vulkane, Ruhengeri und die Menschen – eine schöne Erinnerung an meine Zeit in Ruanda.

Zu erwähnen bleibt noch der Besuch des „Genocide Memorials“ am letzten Tag. Viele ruandischen Besucher weinten hemmungslos an diesem Ort, sie konnten es nicht fassen, was ihr Volk sich gegenseitig angetan hat, sicher war jeder betroffen und hatte Opfer in seinem Umfeld. 1 Million Menschen in drei Monaten….dahingemetzelt, Köpfe und Extremitäten vom Rumpf getrennt, Kinderschicksale….nach dem Holocaust der Deutschen an den Juden vor 70 Jahren der zweitschlimmste Genozid der Neuzeit – eine Warnung an die Menschen. Aber ich glaube, es wird und kann immer wieder passieren, überall. Und dann kommt wieder die Frage:

„Warum schaut Gott weg?“

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